Nachbarschaft

Veröffentlicht am 29.04.2019 von Robert Klages

„Eine Wohnform, der man sich nicht verschließen sollte“, sagte BM Michael Grunst (Linke) letzte Woche bei einem Besuch der „Tiny Houses“ auf dem Ikea-Parkplatz in der Landsberger Allee. Einiges zu dem Projekt „Tiny House Ville“, das am Samstag eröffnete, hat Kollegin Maria-Mercedes Hering bereits aufgeschrieben. Für den Pressetermin hat der Künstler Thomas Pollhammer, der jahrelang in einem Wald lebte und dort vor Kurzem verscheucht wurde, eine Quadriga für die Spitze des „Tiny Temple“ gestaltet. Dieser ist eine soziale Initiative, die auf Obdachlosigkeit reagieren möchte. Die acht Quadratmeter große Hütte ist mit einer Duschkabine und einem Mehrzweck-Miniraum ausgestattet. Alles kann ohne fließendes Wasser und Strom betrieben werden.

Das Wohnen in den Mini-Häusern ist noch verboten. Um es zu „legalisieren“ müsste u. a. das Kleingartengesetz geändert werden, erläutert Van Bo Le-Mentzel, Architekt. Über seine 100-Euro-Wohnungen hatte ich schonmal berichtet. Letzte Woche betonte er nochmal, dass seine Entwürfe keine Substitute für Wohnungen sind, sondern Ergänzungen. Jemand wie Pollhammer verbringe nicht den Tag in seiner Wohnung. Er arbeite in Cafés und auf der Straße. Er benötige aber, wie jeder Mensch, einen Rückzugsort und einen Platz zum Schlafen. Gemeinschaftsunterkünfte für Obdachlose würden viele nicht ansteuern.

„Es sollen nicht nur Geringverdiener und Flaschensammler einziehen“, so Le-Mentzel. „Wir brauchen auch Ärzte und Bürgermeister.“ … Grunst wich der Frage mehrfach aus, ob er sich ein Leben in acht Quadratmetern vorstellen könnte. Le-Mentzel stellt auf der Ausstellung vor Ikea auch erstmals sein „Wonderhome“ vor. Ein 16-Quadratmeter großes Apartment für zwei Personen. Ruheraum, Küchenzeile, Kinderzimmer, Büro … alles drin. Es ist modular und lässt sich zu mehreren Räumen zusammenbauen. Geplant ist ein ganzes Haus in diesem Baustil, mit Supermarkt und anderen Geschäften im Erdgeschoss.

„Sogar das Berghain könnte hier einziehen“, so der Architekt. Das Wonderhome ist das kleinste Raummodul in einer Stadtvision namens „Circular City“. „Hier ist genug Platz zum Leben, Kochen, Knutschen, und für Kinder“, so Le-Mentzel, der selbst mit seiner Familie auf 55 Quadratmetern wohnt. Er würde gerne Kontakt zur Wohnungsbaugesellschaft Howoge herstellen und der dortigen neuen Geschäftsführung. Vielleicht könnte ein Projekt in Lichtenberg umgesetzt werden. Grunst will Kontakt anbahnen und die Geschäftsführung zu einem Besuch der Ausstellung auf dem Ikea-Parkplatz einladen.

Ich hab schon mal angefragt: Die Howoge sei immer am Diskurs über gute Konzepte für flächensparendes Bauen zur Schaffung bezahlbaren Wohnraums interessiert, schreibt mir die Pressestelle. „Herr van Metzel kann sich gerne zur Kontaktaufnahme an unseren Prokuristen und Bereichsleiter Neubau, Stefan Schautes, wenden.“

Auf dem Ikea-Parkplatz erhält man auch eine Anleitung zum Bau eines „Tito Houses“. Das erste Mobile Do -It-Yourself Reihenhaus Deutschlands. 10 Quadratmeter, Deckenhöhe 3,20 Meter: Wohnen, schlafen, kochen, duschen, WC, alles drin. Es kann auch zum Kiosk, Büro oder Infopoint umgebaut werden, indem man die Tür öffnet. 11.000 Euro netto kostet der Selbstbau wohl. Und wo könnte sowas stehen: Le-Mentzel meint, in den Städten könnten Parkplätze wegfallen und dafür Tiny-Villages entstehen. Grunst kündigte an, dass das Mies van der Rohe Haus (Bauhaus) in Karlshorst ein neues Besucher*innenzentrum bekommen würde. Und hier könnte man vielleicht über ein Tiny House sprechen.

Das Leben in einem Tiny-House ist ökologischer, hat eine Forscherin aus den USA herausgefunden: Sie kam zu dem Ergebnis, dass sich mit dem Umzug in ein Tiny House nicht nur der ökologische Fußabdruck um durchschnittlich 45 Prozent verkleinert hatte. Tatsächlich war bei den befragten Personen mit der Veränderung der Wohnsituation parallel eine Entwicklung hin zu einem allgemein umweltfreundlicheren Lebensstil zu beobachten. Foto: Robert Klages

Wer soll hier als nächstes vorgestellt werden? Sie selbst? Jemand, den Sie kennen? Wir freuen uns auf Ihre Vorschläge unter: leute-r.klages@tagesspiegel.de