Nachbarschaft
Veröffentlicht am 16.03.2020 von Robert Klages

Ilse Frieda Gertrud Stöbe: Journalistin und Widerstandskämpferin. Geboren: 17. Mai 1911 in Berlin, Gestorben: 22. Dezember 1942 in Berlin-Plötzensee. Geboren am 17. Mai 1911 in der Mainzer Straße 1. Ein Jahr später zogen sie um, in ein Gartenhaus in der nahe gelegenen Jungstraße 14, die damals noch zur selbstständigen Gemeinde Lichtenberg gehörte. Hier wuchs Ilse Stöbe auf, unter dieser Adresse ist sie ab 1928 im Berliner Adressbuch zu finden. 1932 zogen sie ein weiteres Mal um, diesmal in die Frankfurter Allee 202. Dies war bis 1939 auch Ilse Stöbes Adresse. Eingeschult wurde sie in die Knaben- und Mädchenschule in der Scharnweberstraße, nach drei Jahren wechselte sie an das Städtische Cecilien-Lyzeum Berlin Lichtenberg, gegenüber dem Rathaus.
Ihre erste Anstellung fand Ilse Stöbe im Verlagshaus Rudolf Mosse im April 1929. Zunächst in der Anzeigenabteilung, später wurde sie Sekretärin beim Chefredakteur des Berliner Tageblatts, Theodor Wolff, und dem Chef vom Dienst, Oskar Stark. In der Redaktion des Berliner Tageblatts begegnete sie dem Journalisten Rudolf Herrnstadt, der vor allem durch seine außenpolitischen Artikel und Reportagen Aufmerksamkeit erregt hatte.
Herrnstadt war Kommunist und arbeitete gleichzeitig für den GRU, den Nachrichtendienst der sowjetischen Streitkräfte. Stöbe schloss sich seiner Überzeugung an, dass dem Sozialismus die Zukunft gehöre, und sie war ebenfalls dazu bereit, mit der GRU zusammenzuarbeiten. Der Anfang ihrer Arbeit für die GRU bestand darin, dass sie gelegentlich Kopien von vertraulichen Unterlagen aus der Redaktion des Tageblattes übergibt oder interne Informationen zusammenstellt, die sie von Theodor Wolff erfährt.
Nach der Machtübernahme durch die Nazis wurde Wolff aus dem Mosse-Verlag entlassen. Auch Stöbe verließ Berlin und ging nach Breslau, wo sie zeitweise für die Breslauer Neusten Nachrichten arbeitet. Es war der Beginn ihrer journalistischen Tätigkeit. Ihr Thema waren zunächst die Deutschen, die nach den Bestimmungen des Versailler Vertrages als Minderheiten in vielen Ländern leben mussten.
Ein offenes Zusammenleben zwischen Stöbe und Herrnstadt kam nicht in Frage, er war jüdischer Abstammung. Beide arbeiteten zu der Zeit in Warschau. Wären sie eine öffentliche Beziehung eingegangen, hätte sie nie für eine deutsche Zeitung arbeiten dürfen, und auch eine Rückkehr nach Deutschland wäre unmöglich gewesen.
Es gelang ihr auch, Kontakt zu deutschen Zeitungen aufzunehmen, die ihre Artikel druckten, so zum Frankfurter Generalanzeiger. Im Laufe der Zeit wurde sie zunehmend als Journalistin wahrgenommen und gehörte bald zu den wenigen Auslandskorrespondentinnen deutscher Zeitungen.
Für die GRU arbeitete Stöbe seit dieser Zeit unter dem Decknamen „Alta“. Ihre Aufgabe war es, Kontakt zu Menschen zu knüpfen, die für die GRU von Interesse sein könnten. Zudem war sie Herrnstadt dabei behilflich, eine Residentur der GRU in Warschau aufzubauen. Dabei hatte sie gelernt, als loyale deutsche Staatsbürgerin aufzutreten und ihre wahre Identität zu verheimlichen. Sie erklärt sich Anfang 1939 sogar dazu bereit, als Kulturreferentin für die NS-Frauenschaft tätig zu werden.
Am 12. September 1942 wurde sie in ihrer Wohnung in der Ahornallee 48 in Westend festgenommen. Am 14. Dezember 1942 wurde Stöbe vom Reichskriegsgericht zum Tode verurteilt. Das Todesurteil wurde am Abend des 22. Dezember 1942 in Berlin-Plötzensee vollstreckt. Die ausführliche Biografie kann auf den Seiten vom Museum Lichtenberg gelesen werden. Foto: Gedenkstätte Deutscher Widerstand, v.l.n.r. Kurt Müller, Frieda Stöbe, Ilse Stöbe.
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