Nachbarschaft

Veröffentlicht am 06.07.2020 von Masha Slawinski

Björn Friese hat eine Werkstatt für Filmausstattung auf dem Gelände der B.L.O.-Ateliers am Nöldnerplatz. Gleichzeitig ist er ehrenamtlich im Vorstand des Freundeskreis-Vereins aktiv, der sich gegründet hat, um das Gelände nach außen bekannter zu machen.

Wofür stehen die B.L.O.-Ateliers? B.L.O. ist das Kürzel für das ehemalige Bahnbetriebswerk Berlin-Lichtenberg-Ost. Dieses alte Bahngelände war 100 Jahre in Betrieb. Seit 2004 ist es in Hand von Menschen, die Kunst-, Kultur-, Handwerks- und soziale Initiativen betreuen. Das B.L.O. ist ein gemeinnütziger Verein, der sich komplett selbst verwaltet und finanziert.

Wie werden die Gewerberäume genutzt? Das ist breit gefächert. Wir haben 50 Atelierplätze und insgesamt 100 Nutzer*innen. Es gibt Proberäume für Bands, Menschen, die Webseiten gestalten, eine Schlosserei-Schmiede, einen Bumerang-, Bogen- und Fahrradbauer, Maler*innen, Bildhauer*innen und ein Tonstudio. Die Liste ist lang!

Was für Angebote gibt es für die Nachbarschaft? Corona-bedingt gibt es momentan keine nachbarschaftlichen Angebote. Normalerweise ist die ehemalige Kantine als Veranstaltungsort zugänglich und kann für einen geringen Preis gemietet werden. Schulen aus dem Kiez können hier zum Beispiel ihre Theaterstücke aufführen. Hier wurden schon Hochzeiten und Geburtstage gefeiert, es gab Kinovorführungen, Ausstellungen und Diskussionsrunden. Das Gelände ist Vereinsgelände und  Gewerbehof. Alle Menschen die dort sind haben einen Arbeitsraum, den sie nutzen. Eigentlich ist es also nicht explizit ein Gelände für die Freizeitgestaltung. Einige Menschen bieten Workshops an. Das wird von der Nachbarschaft sehr gut angenommen.

Was für eine bezirkliche Bedeutung hat das B.L.O.? Wir haben seit 16 Jahren eine stabiles Projekt, das komplett selbständig verwaltet ist. Wir finanzieren uns komplett selber und sind somit für den Bezirk mehr oder weniger umsonst ein gemeinnütziges Projekt, das nachbarschaftliche Arbeit macht. Wir bieten viel für die Nachbarschaft an, zum Beispiel Konzerte. Damit kann der Bezirk werben und das tut er auch. Zum Beispiel sind wir in dem offiziellen Buch des Bezirks erwähnt. Wegen des Corona-Virus ist die Beteiligung der Öffentlichkeit momentan eingeschränkt möglich. Aber am 4. September findet die Eröffnungsveranstaltung für die Lange Nacht der Bilder statt.

Wie sieht es mit der Zukunft der B.L.O.-Ateliers aus? Der Verein Lockkunst e.V., den wir gegründet haben, hat einen Vertrag mit der Bahn für eine Gesamtfläche von 12.000 Quadratmetern. Der läuft bis 2024. Danach wollen wir weitermachen und haben verschiedene Szenarien mit Senat und dem Bezirk entwickelt. Die Bahn hat das Gelände sogar dem Senat angeboten und der Senat wollte es kaufen. Es war alles in trockenen Tüchern, doch dann hat die Bahn das Gelände zurückgezogen und gesagt, dass sie doch nicht verkaufen wollen. Jetzt sind wir wieder auf Anfang und probieren zu verhandeln. Bis jetzt sind wir nur Zwischennutzer. Die Bahn will über den Vertragszeitraum noch keine Aussage treffen. Wenn da nichts passiert, wäre in drei Jahren Schluss.

Warum hat die Bahn ihr Angebot zurückgezogen? Die Bahn will kein Gelände mehr verkaufen, das eventuell nochmal für den Bahnbetrieb zu nutzen ist. Es gibt die politische Vorgabe, dass das Schienennetz ausgebaut werden soll, deswegen wurden alle Flächen zur Reaktivierung geprüft. Unser Gelände wäre theoretisch eine Option. Der andere Aspekt ist, dass die DB Immobilien GmbH Teile des Geländes mit seinen Gebäuden an Bahn-Unterfirmen vermietet haben. Sie überlegt, Teile der Gebäude zu hochwertigen Büroflächen umzuwandeln und dort Startups anzusiedeln. Die dritte Gefahr ist sehr konkret: Der gesamte Bahndamm in der Kaskelstraße, am Nöldnerplatz und in der Hauptstraße soll saniert werden.

Für die Baustelleneinrichtung soll das B.L.O.-Gelände genutzt werden. Das heißt, dass zum Beispiel Sattelschlepper mit Schotter täglich auf das Gelände fahren würden. Unser ökologisches Projekt, eine 2.000 Quadratmeter große Trockenwiese mit Eidechsen, Insekten und brütenden Vögeln wird es dann nicht mehr geben. Zwei Jahre sollen die Bauarbeiten andauern. Das würde unseren Betrieb unmöglich machen. Einige Atelierplätze würden wegfallen, nachbarschaftliche Aktivitäten gäbe es dann nicht mehr.

Erfährt das B.L.O. Unterstützung aus der Politik? Es gibt keine demokratische Partei, die nicht für uns wäre. Gestern hat Erhard Grundl, der kulturpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Bundestag, eine schriftliche Anfrage gestellt. Gregor Gysi war auf dem Gelände und hat einen Brief an den Bahnvorstand geschrieben. Gesine Lötzsch ist Mitglied unseres Fördervereins, um nur einige zu nennen. Alle, die je auf dem Gelände waren, sagen, dass sie es unterstützen. Selbst der israelische Botschafter in Deutschland war bei uns zum Bogenschießen zu Besuch.

 

+++ Das ist ein Beitrag aus dem Leute-Newsletter für Lichtenberg. Den gibt es in voller Länge und kostenlos hier: leute.tagesspiegel.de

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