Nachbarschaft

Veröffentlicht am 25.04.2022 von Masha Slawinski

Wenn Sie in Rummelsburg leben und gerne Kaffee trinken, erkennen Sie bestimmt den Mann auf dem Foto. Das ist Ruben Kircher, der Betreiber des Lichtenberger Cafés „Coffea“ in der Lückstraße 56.

Im Februar 2020, also pünktlich zu Pandemie-Beginn, hat er sein Café eröffnet – in dem er, neben veganen und vegetarischen Snacks, Kuchen und Getränken, auch Pflanzen verkauft. Alles an diesem Ort ist freundlich und einladend: Der selbstgezimmerte Holztresen, die gemütlichen Sofas und Sessel, die Pflanzen und auch Kircher selbst, der oft hinter der Ladentheke steht und bedient.

Die beste Entscheidung. Kircher ist 26 Jahre alt und lebt in Lichtenberg. Ein Café zu eröffnen, war nicht sein ursprünglicher Plan. Erst spielte er mit dem Gedanken in Lichtenberg einen Späti oder einen veganen Burgerladen zu eröffnen. Mittlerweile ist er froh, dass er das nicht in die Tat umgesetzt hat: „Im Späti wäre ich untergegangen, das würde mich gar nicht glücklich machen. Das Coffea war die beste Entscheidung “, sagt Kircher. Er habe großes Glück mit der Immobilie gehabt und in dem Kiez habe einfach ein Café gefehlt, weswegen der Laden meist voll wäre.

Vor der Coffea-Eröffnung arbeitete Kircher vier Jahre bei einem Sushi-Lieferdienst. In der Zeit hatte er angefangen davon zu träumen, einen eigenen Laden zu betreiben. Als er mit 16 seinen MSA an einer Friedrichshainer Schule absolviert hatte, fing er zweimal eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann an und dazwischen eine Ausbildung zum Postträger. Neben der schlechten Bezahlung störte ihn vor allem, dass er nicht sein eigener Chef sein konnte. Ab seinem 19. Lebensjahr arbeitete er dann hauptsächlich in Minijobs und schließlich bei dem Lieferservice.

„Mein Traum ist es, einfach selbstständig zu sein“, sagt Kircher. Und das hat er geschafft und dabei von Anfang an gemerkt, wie anspruchsvoll das ist. Er musste das Geschäft lernen, vom richtigen Einkaufen bis zur Buchhaltung. Viel verdanke er dabei seiner Partnerin Mai Dung Ho Thi, die hauptberuflich in einem Techunternehmen arbeitet. Sie greift ihm bei allem bürokratischen unter die Arme, von Behördengängen über die Buchhaltung bis hin zur Steuer. Sie ist auch diejenige, die sich um die Social Media Arbeit bei Instagram kümmert. „Ohne sie hätte ich das nicht geschafft“, sagt Kircher.

Die ersten beiden Jahre mit dem Coffea waren hart. Fast jeden Tag stand er hinter dem Tresen, gerne mal für zwölf Stunden. „Ich dachte wirklich, ich würde nie wieder ein Privatleben haben“, sagt Kircher. Er habe auch zwischendurch überlegt, es doch sein zu lassen: „Sowas hat jeder mal, der selbständig ist – den Gedanken, das bringt doch alles nichts. Dann gibt es aber die Tage, wo es richtig cool ist, wo man alles total liebt“, sagt Kircher.

Seit einem halben Jahr hat Kircher wieder ein wenig mehr Freizeit: Das liegt daran, dass jetzt mehr Menschen bei ihm arbeiten. Gerade sind es vier Mitarbeiter*innen und eine Praktikantin. Sich um fünf Menschen zu kümmern, sie zu motivieren und anzuleiten, eben ihr Chef zu sein, ist wieder eine neue Herausforderung. Denn die Kund*innen bringen den Laden natürlich vorrangig mit Kircher in Verbindung. Er muss dafür sorgen, dass der Besuch für sie eine schöne Erfahrung ist. „Das mit dem Chef sein, lerne ich gerade noch“, sagt Kircher.

Dafür kann er den Laden jetzt hin und wieder alleine lassen. Und er hat mehr Zeit zu überlegen, was er noch besser machen mag. Denn perfekt findet er sein Café noch nicht. „Ich sehe beim Coffea noch mehr Potenzial und möchte sehr viele Pläne umsetzen“, sagt Kircher.

Ob das Coffea die Endstation ist? „Nicht unbedingt“, sagt Kircher. Als Selbstständiger spiele man immer mit dem Gedanken, was man noch machen könnte. Aber seine Ideen möchte er, bis er sie umsetzt, nicht verraten. Und derzeit ist er mit seinem Café noch gut beschäftigt. – Foto: privat

 

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