Nachbarschaft

Veröffentlicht am 08.04.2024 von Dominik Lenze

Am Anfang war es eine spaßige Idee, entwickelt gemeinsam mit einem Freund, dann eine Online-Plattform für den Kiez – inzwischen bereichert die Nachbarschaftsinitiative „Wir.de Aktive Nachbarn“ den Bezirk auf ganz unterschiedliche Weisen: mit Festen und Veranstaltungen, einem Treffpunkt für russischsprachige Communitys und vielem mehr.

Vor etwa zehn Jahren haben sich Initiator Sergey Savchuk und sein Arbeitskollege Christian Rieder erste Gedanken über das Projekt gemacht. „Wir sind gerade nach Karlshorst gezogen, da haben wir ein paar neue Ideen ausgedacht“, erzählt er. Am Anfang war es ein Sharing-Projekt: eine Online-Plattform für den Kiez, wo Nachbarn Gegenstände miteinander teilen und gegenseitig helfen konnten. Rund 1000 Leute hatten sich auf der Plattform angemeldet, sagt der 47-Jährige.

Aus der Online-Plattform ist inzwischen eine gemeinnützige Firma geworden, die den Kiez auf ganz unterschiedliche Art und Weise bereichert. Auf Weihnachtsfesten ist man etwa mit Ständen präsent oder unterstützt die „Subbotniks“ der befreundeten Initiative „Kehrenbürger Lichtenberg“ zum Beispiel in Friedrichsfelde. „Hier leben viele Menschen mit Zuwanderungsgeschichte, überhaupt viele Leute, die erst in den letzten Jahren hier hingezogen sind“, sagt Savchuk.

„Das führt zu der Frage, wie man Friedrichsfelde etwas mehr zu einem Zuhause macht. Bei einem Subbotnik gemeinsam aufzuräumen ist da eine Möglichkeit“, sagt er. Dieses Jahr sollen die gemeinsamen Aufräumaktionen noch etwas verändert werden. Etwas spielerischer soll es werden, man überlegt sich derzeit noch Konzepte.

Ein besonderes Projekt ist „R-Lichtenberg“, gemeinsam mit dem Verein Club Dialog. Vereinfacht gesagt könnte man sagen: Es ist ein Treffpunkt für die russischsprachige Community. „Aber so etwas wie die eine russischsprachige Community, das gibt es nun einmal nicht“, sagt Savchuk. Russlanddeutsche, zum Beispiel aus Kasachstan, russischsprachige Ukrainerinnen und Ukrainer, Menschen, die Russland in den letzten Jahren verlassen haben – „es sind ganz unterschiedliche Leute mit unterschiedlichen Geschichten, die dort zusammenkommen“, sagt Savchuk. Auch das Bezirksamt unterstützt die Dialog-Veranstaltung.

„Die Frage ist: Wie bieten wir diesen unterschiedlichen Leuten einen gemeinsamen Begegnungsort? Wie thematisieren wir diese Unterschiede nicht, sondern schaffen Anlässe, um sich wirklich zu begegnen?“, so Savchuk. Diese Fragen haben sich nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 umso dringlicher gestellt. „Der Krieg lässt die Leute natürlich nicht kalt“, sagt Savchuk. „Frontale Diskussionsformate funktionieren dabei nicht. Die Menschen müssen sich kennenlernen“, sagt er. Dann seien auch Gespräche über die „sensiblen Themen“ möglich.

Die Projekte leben von den Ehrenamtlichen, betont Savchuk. So hat auch Arina Pushkina angefangen. Sie hilft bei der Organisation der verschiedenen Projekte, sie und Savchuk kennen sich noch aus Russland, erzählt sie. Sie beide waren Fans von Science Slams: Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler treten bei diesen Veranstaltungen auf, um – meist unterhaltsam – ihre Forschung einem neugierigen Laienpublikum vorzustellen. „Wissenschaft ist eine gute Möglichkeit, um Schwarz-Weiß-Denken aufzubrechen“, sagt Pushkina. Deshalb holen sie das Format nun nach Lichtenberg.

Am 20. April lädt Wir.de zum Science-Slam in die Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde in der Lichtenberger Heinrichstraße 31 ein. Auf der Bühne steht zum Beispiel die junge Neurowissenschaftlerin Ekaterina Blinova, die in einer Einrichtung der Humboldt-Uni forscht. Ein anderer Vortrag, verrät Arina Pushkina, soll Wohnungspolitik beleuchten. Der Science Slam ist auf Englisch, damit möglichst viele Menschen die Vorträge verstehen können.

Für dieses Jahr stehen auch schon einige Projekte in den Startlöchern. Vor allem für Friedrichsfelde sei noch einiges geplant, auch, weil der Ortsteil so eine spannende Geschichte habe, sagt Savchuk. Die evangelische Kirche sei zu DDR-Zeiten ein „Save Space“ für unterschiedliche soziale Bewegungen gewesen. Diese Geschichten sollen weitergetragen werden. „Die Leute sollen erfahren, dass sie in einem coolen Bezirk leben“, sagt Savchuk