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von Robert Klages

Veröffentlicht am 21.09.2021

das ist der letzte Newsletter vor den Wahlen: Beim Kampf ums Direktmandat für den Bundestag kommt es in Marzahn-Hellersdorf zu einem der spannendsten und prominentesten Rennen in Berlin: Der Ex-Gesundheitssenator fordert die Vizepräsidentin des Bundestags heraus. Mario Czaja von der CDU will die Linke-Politikerin Petra Pau bezwingen. Vor Jahren noch wäre das aussichtslos gewesen – Pau sitzt seit 2002 ununterbrochen für MaHe im Parlament, sie ist im Bezirk verwurzelt und erreicht Wählerschichten über die Linke-Klientel hinaus. Mein Kollege Ingo Salmen hat analysiert, warum es diesmal aber anders laufen könnte:

„Von 47,6 Prozent Stimmenanteil für Pau im Jahr 2009 blieben bei der Wahl 2017 nur noch 34,2 Prozent übrig. Dabei ist Pau selbst wie auch ihre Partei gerade jetzt auf das Mandat angewiesen: Die Linke nähert sich im Bund bedrohlich der Fünf-Prozent-Marke. Sollte sie diese Hürde verfehlen, bräuchte sie mindestens drei Direktmandate, um dennoch so viele Sitze zu bekommen, wie es den Zweitstimmen entspricht.

Ausgerechnet in dieser Situation schickt die CDU Mario Czaja ins Rennen, den Erststimmen-König der Abgeordnetenhauswahl 2017, als er 47,2 Prozent holte. Genau müsste es heißen: Czaja schickt Czaja ins Rennen, denn während die CDU im Wuhletal hinter ihrem Frontmann steht, haben die Berliner Christdemokraten ihn bei der Aufstellung der Landesliste übergangen.

Auch für den Ex-Senator geht es um alles: Das Ziel Bundestag erreicht er nur, wenn er Pau schlägt. Ist das zu schaffen, obwohl die CDU im Bund strauchelt? `Ja, die führenden Köpfe unserer Partei machen es auch uns nicht immer einfach´, schrieb Czaja in seinem Newsletter und betonte, bei der Erststimme gehe es nur ums Vertrauen in diese eine Person.

Im persönlichen Gespräch wird Czaja noch deutlicher. Es gebe „bundespolitisch keinen Rückenwind, sondern Gegenwind“, sagte er am Dienstag dem Tagesspiegel. Man könne ihn jedoch als Direktkandidaten wählen, ohne den Kanzlerkandidaten Armin Laschet gut zu finden. Sein Eindruck aus dem Wahlkampf: Es gebe in Marzahn-Hellersdorf eine „starke Präferenz“ für einen Kanzler Olaf Scholz (SPD).

Czajas Appell: Marzahn-Hellersdorf habe jetzt die „Chance“, gleich zwei Abgeordnete in den Bundestag zu entsenden. Der Christdemokrat geht sicher davon aus, dass die Linke im Bund deutlich über fünf Prozent liegen wird, sodass Pau über Platz eins der Landesliste einziehen würde. Wenn er als Direktkandidat gewählt werde, würde außerdem ein Kandidat weniger „von der West-Berliner CDU-Liste“ ziehen.

Was hält Czaja eigentlich von Laschets Warnungen vor einem Linksbündnis im Bund? Das sieht auch er kritisch. Es würde, sagt er, eine Reihe außen- und sicherheitspolitischer sowie wirtschaftspolitischer Grundsätze in Frage stellen. Deshalb sei diese Warnung auch weit entfernt von der Rote-Socken-Kampagne der 90er-Jahre. Sein persönliches Verhältnis zu Pau sieht Czaja dadurch nicht berührt. In Marzahn-Hellersdorf kommen CDU und Linke vergleichsweise gut miteinander klar, Berührungsängste gibt es keine.

Ein Störfaktor bleibt: Thomas Braun macht den Zweikampf in MaHe zum Triell. Die AfD lag bei den vergangenen Wahlen im Bezirk zweimal über 20 Prozent, rechts von der CDU gibt es im Bezirk ein zweistelliges Potenzial. Der Wahlausgang muss hier deshalb mindestens als ungewiss gelten. `Ich nehme ihn im Wahlkampf überhaupt nicht wahr´, sagt Czaja über Braun. `Er ist ein Phantomkandidat.´ Während er Pau immer wieder bei Veranstaltungen begegnet sei, habe er Braun bei keiner getroffen, berichtete Czaja. Auch mit Konzepten für den Wahlkreis sei er nicht aufgefallen. Nur, das ist auch Czaja klar: Die AfD dürfe man nicht unterschätzen, sie werde mehr aus Protest als wegen persönlicher Qualifikationen gewählt.“ Soweit Kollege Salmen.

Marzahn-Hellersdorf ist nicht der einzige Bezirk, in dem es spannende Wahlkreisduelle um die Direktmandate gibt. Auf  plus.tagesspiegel.de ist nachzulesen, wo es richtig eng werden könnte.

Aber nochmal zurück zu Czaja und Pau: „Petra Pau ist zwar dauerpräsent, aber am Ende doch weit weg“, sagt Czaja, schon in der DDR aktiver Katholik. „Es gibt die Chance, die Dinge zu ändern.“ Mein Kollege Hannes Heine hat Czaja im Bezirk begleitet und porträtiert, sein Text ist zu lesen auf plus.tagesspiegel.de, dem Premium-Angebote des Tagesspiegels. Für 14,99 Euro im Monat bekommt ihr Zugang zu allen Plus-Texten sowie den täglichen Tagesspiegel-Newsletter „Checkpoint“.

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