Kultur

Träume aus Papier

Veröffentlicht am 11.01.2022 von Johanna Treblin

Im Schloss Biesdorf kann man sich aufwärmen – in wahrsten Sinne des Wortes. Ich gehöre ja eher zu denen, die immer und überall frieren, vor allem n Museen, aber im Schloss Biesdorf hätte ich mich gut und gerne im T-Shirt aufhalten können – selbst bei 3 Grad Außentemperatur.

Aber eigentlich war ich ja nicht zum Aufwärmen hier, sondern wegen einer Ausstellung (und wegen dem Kuchen, den ich auf der Homepage des Cafés in Schloss gesehen hatte… ). „Träume aus Papier“ heißt die Ausstellung, die im Erdgeschoss des Schlosses in drei Räumen gezeigt wird. Die Fotografin Sophie Kirchner hat jeweils einen Mensch mit einem Gegenstand fotografiert, nämlich den, den er oder sie sich von ihrem Begrüßungsgeld gekauft hatte, das die BRD DDR-Bürger:innen 1989 gab, nachdem die Mauer gefallen war.

100 D-Mark bekam jede Person. Was sich die Menschen, die an der Ausstellung teilnahmen, davon kauften, reichte von praktischen zu schönen Dingen. Mehrere Radios sind in der Ausstellung zu sehen, eine Lederjacke, eine Schallplatte der Gruppe Queen.

Zu jedem Foto gibt es einen kleinen Erklärtext. Und über einen Lautsprecher werden die Interviewaussagen mitten in den Raum gespielt. „Ich bin mit meiner Tochter erst eine Woche später losgefahren, das Begrüßungsgeld abholen“, erzählt Franziska (in der Ausstellung werden nur die Vornamen genannt). „Am ersten Tag habe ich mir nur eine Zeitung gekauft.“ Die Zeitung ist nicht abgebildet auf dem Foto neben ihrem Portrait, sondern etwas anderes. „Später bin ich in die Wilmersdorfer Straße gefahren und habe mir ein Messer gekauft. Das benutze ich heute noch“, erzählt Franziska. „Und wenn ich irgendwo hinfahre und weiß, ich werde dort in der Küche helfen, dann nehme ich es mit.“

Auch Brigitte kaufte sich etwas Praktisches. „Ich habe mir einen Ölradiator in Neubrandenburg im Intershop gekauft.“ In der DDR habe man die Heizung nicht regeln können, sie sei von Oktober bis Mai angewesen, im Rest des Jahres aus. „In der Zwischenzeit musste man frieren.“ Das wollte sie nicht mehr. Heute sagt sie: „Ich bin froh, dass ich was gekauft habe, was nicht verbraucht wird.“

Sophie Kircher ist selbst in Ostberlin aufgewachsen. Später studierte sie Fotografie in Hamburg und Baltimore, USA. Nach einem zweijährigen Aufenthalt in Vancouver, Kanada, kehrte sie 2017 zurück in ihre Heimat Berlin.

Über die Arbeit an „Träume in Papier“ schreibt sie auf ihrer Homepage: „Die Bilder des Mauerfalls haben sich tief in das kollektive Gedächtnis der Deutschen eingeprägt. Doch diese simplen Bilder werfen in mir auch Fragen auf. Fragen nach den individuellen Erlebnissen und Empfindungen der Ostdeutschen zu dieser Zeit. Fragen nach meiner eigenen Herkunft und der Dissonanz zwischen meinen Erfahrungen als Wendekind, und den Erfahrungen anderer Ostdeutscher zu jener Zeit, als die Mauer fiel.“

Für ihre Fotoarbeit sprach sie mit ihren Protagonist:innen darüber, wie sie die Geldzahlung aufgenommen hatten. „Es gab die Freude darüber, in der Lage zu sein, sich einen kleinen Konsumtraum zu verwirklichen, aber auch Empfindungen der Scham, Verlegenheit, oder gar Bloßstellung“, resümiert Kirchner.

„Ich war recht regimekritisch erzogen worden“, erzählt Christian. „Mein Vater war Bauleiter. Er hat oft geschimpft, wenn wieder irgendein Mangel war. Er hat oft politische Witze gemacht. Wir hatten Westverwandtschaft, die uns Dinge schickte, die wir in der DDR nicht bekamen. Für mich war klar, dass ich rauswollte.“ Heute findet er es aber doch schade, dass einfach nur die DDR an die BRD angeschlossen und nicht etwas Besseres aus beidem gemacht wurde. Was er sich von seinem Begrüßungsgeld kaufte? „Ich war am ersten Tag in einem Käsegeschäft und habe Käse gekauft.“ Abgebildet ist dann aber doch nicht der Käse (zum Glück), sondern eine Schallplatte von der Gruppe Queen.

„Es gibt Studien und Statistiken über die ökonomischen und gesellschaftlichen Folgen des Mauerfalls“, shreibt Kirchner auf ihrer Webseite. „Für mich jedoch ist interessanter, die persönliche Sicht der Menschen zu erforschen. Es ist wichtig den Menschen, die die DDR und den Mauerfall erlebt haben, den Raum zu geben ihre Geschichten zu erzählen.“