Kultur

Vergoldet - New York Times, Kartoffelgesichter und Beton

Veröffentlicht am 12.07.2022 von Johanna Treblin

Mein Lieblingsstück war  – natürlich – eine Titelseite der New York Times. Zu sehen war allerdings nur das Aufmacher-Foto, der komplette Text und alle kleineren Fotos waren mit goldenen Streifen abgeklebt.

Zu sehen war – und ist – die Titelseite im Schloss Biesdorf. Dort ist im Obergeschoss derzeit die Ausstellung „Vergoldet – doré“ zu sehen. Die Sammelausstellung will die mit dem „Werk- und Farbstoff“ verknüpften Vorstellungen von Wert und Symbolkraft untersuchen, heißt es in der Ankündigung.

In „Vergoldet – doré“ reflektieren die Künstler:innen demnach „mit echtem und künstlichem Gold über alte und neue Allianzen und gesellschaftliche Transformationsprozesse zwischen Kommunikation und Identifikation“. Auch die Ewigkeit und Haltbarkeit von Gold werde infrage gestellt.

Das Titelblatt der New York Times ist das der Ausgabe vom 11. April 2016. Das Foto zeigt Menschen, die vor Rauchwolken fliehen. Einer hat einen Schal um seinen Kopf gewickelt. Ein anderer zieht sich seinen Pullover über Mund und Nase. Es sind Flüchtende an der griechischen Grenze, die vor der Polizei fliehen.

Das Bild „April 11, 2016“ ist von Panos Tsagaris, es gehört zu seiner Serie „Golden Newspapers“, für die er mehrere Vorderseiten der Zeitung übermalt hat. Durch die Vergoldung wird dieses bittere zeitgeschichtliche Dokument – Flüchtende in Pfefferspray-Wolken – zu einer zweifelhaften Ikone. Bevor es kurz darauf weggeworfen wird.

Im Wandelgang in der Mitte des Gebäudes sind kleine goldene Fratzen an die Wände angebracht. Es sind 100 knubbelige, unförmige Gesichter mit den großen Nasen. Der Titel: „Dilettante Kartoffeln wetteifern um die Gunst des Vaters“. Im Begleitheft heißt es, Sebastian Neeb arbeite mit historischer Zuschreibung und kunsthistorischen Referenzen. „Einstige Trophäen werden dekonstruiert, zerlegt und zu neuen Objekten verformt. Ihr zweifelhafter Glanz ist geblieben.“

Weiter gibt es zu sehen: ein goldenes Puzzle, Goldstaub, eine vergoldete Pistole, Fotos einer in güldenes Licht getauchte Fabrikhalle.

Und Luka Fineisen hat eine Serie von Modellhäusern vergoldet. „Jede dieser Immobilien sieht aus, als habe ein Riese seine Faust auf ihr Betongold aus Kunststoff sausen lassen“, schreibt meine Kollegin Gunda Bartels, die ebenfalls die Ausstellung im Schloss Biesdorf besucht hat. Ihren Text finden Sie auf Tagesspiegel.de. „Das Ergebnis sind Gebäude, deren Rendite nicht ganz so gesichert scheint, wie es die ach so krisenfeste Wertanlage Gold suggeriert.“

  • Schloss Biesdorf, Alt-Biesdorf 55, bis 21. August. Täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet, freitags von 12 bis 21 Uhr. Dienstags geschlossen.
  • Fotos: Johanna Treblin