Namen & Neues
"Avenidas" und der "Sturm des Grolls"
Veröffentlicht am 03.04.2018 von Ingo Salmen
Die Bezirksverordneten hatten eigentlich das Bezirksamt beauftragt, einen Platz für Eugen Gomringers Achtzeiler zu finden, nun kommt Hilfe von unerwarteter Seite: Die Wohnungsgenossenschaft Grüne Mitte will das Gedicht an einem ihrer Häuser anbringen, wie Birgitt Eltzel in „LiMa+“ berichtet. Ort und Zeitpunkt sind demnach noch nicht bekannt, aber Gomringer habe schon sein Einverständnis gegeben, heißt es. Wie Kulturstadträtin Juliane Witt mitteilt, soll das Werk nicht nur auf Spanisch, sondern auch auf Deutsch an der Fassade zu sehen sein.
Die Würdigung Gomringers geht dem Bericht zufolge auf den Brief eines Genossenschaftsmitglieds an den Vorstand zurück. Darin bezeichnet der Mieter die Kritikerinnen von „avenidas“ als „übergeschnappte Studentinnen“, die „in geifernder Weise unsere Kulturgesellschaft okkupieren und nach ihrem Willen umgestalten wollen“. Er schließt mit dem Wunsch: „Vielleicht fällt es den hysterischen Studentinnen hier jeden Morgen auf dem Weg zu ihrer Hochschule ins Auge.“ Einmal mehr zeigt sich damit, wie die Debatte um dieses stille Gedicht sprachlich entgleist ist. Nora Gomringer, die das Werk ihres Vaters vehement verteidigt, hatte genau das erst in der vergangenen Woche in einem Facebook-Post beklagt: Auch wenn sie inhaltlich nicht mit ihnen übereinstimme, müsse sie die Studierenden doch vor dem „Sturm des Grolls“ schützen. „Die ganze Sache um ‚avenidas‘ demaskiert gewaltig.“
Was die jüngste Entwicklung ebenfalls zeigt: Man kann die Entscheidung der Hochschule verurteilen, aber mit dem Zensurvorwurf ist es nicht so weit her. Bisher sind keine Einwände staatlicher Stellen gegen das Vorhaben der Wohnungsgenossenschaft ruchbar geworden.