Namen & Neues
Verkehrslösung Mahlsdorf: Bürgerbeteiligung ohne Gespür
Veröffentlicht am 24.04.2018 von Ingo Salmen
Wie man trotz gründlicher Vorbereitung beinahe ein kommunikatives Debakel erleben kann, hat die Senatsverkehrsverwaltung am Montagabend in Mahlsdorf vorgeführt. Da hatte sie in die Kiekemal-Grundschule am Hultschiner Damm eingeladen, um über den aktuellen Planungsstand für eine Verkehrslösung im Ortskern zu informieren. Das Problem: Es gab Ende Januar schon einmal eine, gewissermaßen „private“ Versammlung, die Mario Czaja als örtlicher CDU-Abgeordneter organisiert hatte. Damals wie diesmal saß Staatssekretär Jens-Holger Kirchner (Grüne) auf dem Podium. Doch ein Lerneffekt ließ sich zunächst nicht feststellen.
Drei zentrale Punkte hätte Kirchner aus der Januar-Veranstaltung mitnehmen können, um seine Leute auf diese erste offizielle Öffentlichkeitsbeteiligung vorzubereiten: 1. Die Leute wollen nicht nur hören, was die Senatsverwaltung favorisiert. 2. Die von den Abgeordneten Iris Spranger (SPD) und Stefan Ziller (Grüne) wieder beworbene Variante, nämlich die Tram an der künftigen Oberschule vorbei zu führen, ist etwas anderes als das, was er als alternative „Planungsidee“ vorgestellt hatte. 3. Über allem schwebt als große Unbekannte eine Tangente entlang der Landesgrenze, die der Bezirk propagiert. (Näheres zu den Varianten in meinem Newsletter von Ende Januar.)
Zwischenbilanz nach einer Dreiviertelstunde Grußworten und Präsentationen: 1. Kirchners Abteilungsleiter Hartmut Reupke, ein besonnener Mann, ging mit keinem Wort auf die Abwägung ein, was für die Vorzugsvariante und gegen die andere spricht und umgekehrt. 2. Als „Planungsidee“ stellte er lediglich die Überlegung seiner Verwaltung vor, Spuren für Tram und Autos auf der Straße An der Schule vorzusehen – kein Wort zum Plan der Abgeordneten, ausschließlich die Tram dort fahren zu lassen. 3. Das von Verkehrsstadtrat Johannes Martin (CDU) zu Ende März angekündigte Gutachten zur Tangente über Brandenburger Gebiet wird nun wohl doch erst in vier Wochen vorliegen, wie Bezirksbürgermeisterin Dagmar Pohle (Linke) berichtete. Hätte man die ganze gemeinsame Veranstaltung von Senat und Bezirk dann nicht besser auf Anfang Juni legen sollen? „Eigentor“ raunte einer, der der Landesregierung eigentlich wohlgesonnen ist, zu der gesamten Präsentation.
Wer den Punkt machte, war – Überraschung! – Volkstribun Czaja. Unter lautem Beifall kündigte er „Widerstand“ an, soweit das Verfahren es ermöglicht, wenn der Senat daran festhalte, 16.000 Autos am Tag an der künftigen Oberschule entlang fahren zu lassen. Spranger bekräftigte, die Abgeordneten seien sich sehr einig in ihrer Haltung für die neue Alternative. Wer noch seine Hausaufgaben gemacht hatte, war Jan Lehmann, Vorsitzender des Vereins Mahlsdorfer Bürger. Nach der Versammlung im Januar habe er sich bei den Anwohnern der Theodorgärten, und den Gewerbetreibenden umgehört und „einhellig“ erfahren, dass sie die Autos auf der Hönower Straße behalten und die Tram zur Schule verlegen wollen.
Was dann doch noch Neues zu erfahren war: In der Diskussion sagte Reupke, warum die Senatsplaner in ihrer Alternative nicht die Straßenbahn allein an der Schule vorbeiführen wollen. Um die Oberschule und die Wohnbebaung zu erreichen, müsse auch Autoverkehr möglich sein. In der Vorzugsvariante des Senats kommt die Hönower Straße zwischen Pestalozzistraße und B1/B5 hingegen auch ohne Autos aus. Dort seien die Häuser allerdings von parallelen Straßen westlich davon erschlossen, sagte Reupke mir nach der Veranstaltung. Ob das alle so sehen und die Straße An der Schule nicht auch als Anwohnerstraße ohne zusätzliche Autospuren ausgewiesen werden könnte, wird noch zu diskutieren sein.
Das Forum dafür konstituiert sich diese Woche: Pohle erklärte, dass der Planungsbeirat eingerichtet werde, den die BVV angeregt habe. Neben der Verwaltung werden dort die Fraktionen der BVV, der Verein Mahlsdorfer Bürger und der Bürgerverein Mahlsdorf-Süd vertreten sein sowie der Verband Deutscher Grundstücksnutzer und zehn weitere, per Los auszuwählende Bürgerinnen und Bürger. Reupke bot an, die Abwägungen zwischen den verschiedenen Varianten in dem Beirat näher zu erörtern und auch offen die Frage zu diskutieren, ob bei der Tram-Variante zusätzliche Autospuren auf der Straße An der Schule, die wegen der größeren Straßenbreite zu mehr Enteignungen führen würden, wirklich unverzichtbar sind. Damit rettete er gerade noch das, was Kirchner wiederholt als „gelebte Beteiligungskultur“ pries – aber ohne politische Antennen vorbereitet hatte.