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Antifa-Protest gegen AfD stört Gedenken an Nazi-Opfer

Veröffentlicht am 29.01.2019 von Ingo Salmen

Ziemlich aus dem Ruder gelaufen ist eine Veranstaltung von Bezirksverordnetenversammlung und Heimatverein auf dem Parkfriedhof in Marzahn. Am Denkmal für die Zwangsarbeiter fand dort an diesem Sonnabend das jährliche Gedenken für die Opfer des Nationalsozialismus statt. Anlass war der Holocaust-Gedenktag am 27. Januar. Es ist normalerweise eine überwiegend stille Veranstaltung mit Kranzniederlegungen durch die Fraktionen der BVV und weitere örtliche Politiker. Doch in diesem Jahr war sie geprägt von lautem Protest – und musste schließlich abgebrochen werden.

Mehrere Dutzend Antifaschisten, die Schätzungen von Teilnehmern schwanken zwischen 30 und 50, hatten sich schon vor Beginn der Gedenkfeier rund um die Stele postiert und verhinderten damit den Zugang zum Denkmal. Wie die BVV-Vorsitzende Kathrin Henkel (CDU) berichtet, mussten die wenigen Redebeiträge vor dieser Barriere gehalten werden. Immer wieder hätten Zwischenrufe diesen Teil der Feier begleitet. So musste sich Henkel, als sie zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus begrüßte, korrigieren lassen: „Faschismus!“ Für die Fraktionen musste sie dann darum bitten, die Kranzniederlegungen zu ermöglichen, schildert Henkel. Einige Politiker wie Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke) hätten sich selbst einen Weg durch die Barrikade gesucht. Die AfD-Vertreter wurden entschieden ferngehalten. Schließlich wurde die Veranstaltung, an der auch Vertreter der Botschaften der USA, Frankreichs und Russlands teilnahmen, vorzeitig beendet.

Hintergrund des Protests ist ein Aufruf der Berliner Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA), die AfD von sämtlichen Gedenkfeiern zum 27. Januar auszuladen. Er war von zahlreichen Überlebenden des Widerstands gegen den Nationalsozialismus, von Nachfahren und weiteren gesellschaftlichen Akteuren unterzeichnet worden. „Die AfD nutzt ihre Teilnahme an Gedenkveranstaltungen, um sich als vermeintlich demokratische Partei darzustellen“, heißt es in dem Appell. Sie führe einen „fundamentalen Angriff auf die Erinnerungkultur in Deutschland“, mit dem sie eine „Aushöhlung der offenen Gesellschaft“ und eine „schrittweise Transformation in einen autoritären Obrigkeitsstaat“ bezwecke.

Die Heftigkeit des Protests hat am Sonnabend viele überrascht. Noch am Donnerstag hatten einige Vertreter der Vereinigung mit Mitgliedern aller BVV-Fraktionen, einschließlich der AfD, zum Kaffee zusammengesessen. Die rechte Partei hat die Erinnerungskultur zum Gegenstand der politischen Auseinandersetzung gemacht, wie das seit Jahrzehnten nicht mehr der Fall war. Widerspruch muss sie sich gefallen lassen, auch und gerade bei einer Feier, die Nazi-Opfern gewidmet ist. Die Feier auf einem Friedhof insgesamt und auch lautstark zu stören, beeinträchtigt aber das Gedenken insgesamt und wurde auch von manchen Kontrahenten der AfD nicht gutgeheißen – zumal eine Antifa-Website nach dem Protest das Ziel ausgab, die AfD „aus allen öffentlichen Räumen zu vertreiben und ihr die privaten Räume zu nehmen“. Wie soll unsere Gesellschaft eine solche Militanz aushalten? Selbst entlarvt hat sich indes der AfD-Abgeordnete Gunnar Lindemann, der die Nachricht von der Störung schnell über Twitter und Facebook verbreitete: Wer wie er darin im NS-Jargon von „Altparteienkadern“ spricht, kann nicht würdig der Nazi-Opfer von einst gedenken.