Namen & Neues

"Knüppel drauf"? Zum Umgang mit der Jugendgewalt am Eastgate

Veröffentlicht am 26.03.2019 von Ingo Salmen

Das Thema dieser Woche in Marzahn-Hellersdorf waren die Probleme mit Jugendgewalt am Eastgate. Die Polizei berichtet von Gruppen von bis zu 40 Leuten, die sich immer wieder an der Marzahner Promenade herumtreiben, Passanten anpöbeln und teilweise auch körperlich angreifen. Es handelt sich, was den männlichen Teil dieser Gangs angeht, den Angaben nach um Jugendliche und Heranwachsende, die einst als unbegleitete Flüchtlinge aus Syrien, Irak und Afghanisten kamen und sich früher am Alexanderplatz aufhielten – bis sie dort von der verstärkten Polizeipräsenz verscheucht wurden. Das ist auch jetzt wieder die Strategie: die „Rädelsführer“ verdrängen, damit die Ansammlungen sich auflösen.

Man kann die Wut kriegen, wenn man die Meldungen von Übergriffen liest, bei denen Menschen mit einer Flasche auf den Kopf geschlagen wurde oder sie am Boden liegend mit Tritten malträtiert wurden. Das ist die verständliche Reaktion, die hinter Kommentaren steckt, wie sie sich in den vergangenen Tagen immer wieder fanden: dass man am liebsten den „Knüppel rausholen“ und „draufschlagen“ würde. So verständlich die Emotionen, so gefährlich und falsch sind diese Kommentare. Es war ein zivilsatorischer Fortschritt in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten, dass körperliche Züchtigung als Mittel zur Erziehung und Strafe sowohl staatlich, als auch gesellschaftlich abgeschafft wurde. Wann sind geschlagene Menschen jemals zu besseren geworden? Doch allenfalls zu gebrochenen, manchmal erst recht zu gefährlichen.

Die Knüppel-drauf-Fraktion übersieht auch, wie sehr der Bezirk Marzahn-Hellersdorf eine unheilvolle Geschichte der Selbstjustiz hat – von gewalttägigen Neonazis in den 90ern bis zu heißblütigen Protesten gegen Flüchtlingsheime in jüngeren Jahren. Immer drohen solche Worte in Taten umzuschlagen, die ihrerseits schlimmes anrichten und einen Bezirk zerreißen können. Irgendwann könnten sich einzelne davon motiviert fühlen, wenn solche Forderungen leichtfertig oder gezielt in (sozialen) Medien propagiert werden. Es hat schon wieder begonnen: Die NPD (wer war das noch gleich?) wittert ihre Chance, ruft Patrouillen aus und will „Schutzzonen“ schaffen. Vermutlich nur für bestimmte Gruppen.

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, wie die AfD sich am Donnerstag in der Bezirksverordnetenversammlung positioniert hat: „Irgendwelche Bürgerwehren sind nicht unsere Ambition und führen auch nicht zum Erfolg“, betonte Fraktionschef Rolf Keßler. Das mag man als taktischen Schachzug werten, um sich von der NPD abzugrenzen. Doch die AfD hätte auch die Chance zum rechten Schulterschluss gehabt – und entschied sich dagegen.

Das eigentliche Problem besteht darin, dass es schon seit 2017 immer wieder Ärger mit diesen Jugendgruppen am Eastgate gab und weder Polizei, noch Streetworker das Problem bislang in den Griff bekommen haben. Auch dass es von SPD bis AfD in der Vergangenheit schon wiederholt thematisiert wurde, hat daran nichts geändert. Polizei und Bezirksamt müssen sich darüber im Klaren sein, dass sie jetzt umso entschiedener vorgehen müssen: indem echte Täter ermittelt, gefasst und der Justiz überstellt werden und sich Sozialarbeiter intensiv um Mitläufer und Orientierungslose kümmern, um ihnen neue Perspektiven aufzuzeigen. Nichts wäre gefährlicher, als sich abzuwenden, wenn es dank vorübergehend verstärkter Polizeikontrollen eine Weile ruhig bleibt. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten zurecht vom Staat, Probleme nicht schleifen zu lassen.