Namen & Neues

Viele hadern in Marzahn-Hellersdorf mit der Demokratie

Veröffentlicht am 02.04.2019 von Judith Langowski

Wie stehen die Menschen in Marzahn-Hellersdorf zur Demokratie? Das wollten Forscherinnen und Forscher der Alice-Salomon-Hochschule wissen – und haben deshalb seit November 2017 eine umfassende Studie erstellt. Das Ergebnis ist gemischt. Mehr als drei Viertel von 363 Befragten stimmten einem Ideal der Demokratie zu. Das ist nicht nur als Herrschaft der Bevölkerungsmehrheit definiert, sondern umfassend als ein „politischer Raum“, in dem „alle Menschen die Möglichkeit haben, sich politisch zu beteiligen, Entscheidungen sich nicht gegen einzelne Bevölkerungsgruppen richten und politische Macht ablösbar ist“. Mit der politischen Realität hadert dagegen ein großer Teil der Bevölkerung: Nur 36 Prozent der Befragten gaben an, dass sie mit der Umsetzung der Demokratie zufrieden sind. Das sind einige Ergebnisse des Projekts „Demokratieferne Einstellungen in einer Kommune“, die am Dienstag im ehemaligen Café Interfix am Kastanienboulevard in Hellersdorf vorgestellt wurden.

Grundsätzlich sehen die Forscherinnen und Forscher eine „gute Basis für ein inklusives Gemeinwesen“ im Bezirk. Dieses Urteil stützen sie darauf, dass neun von zehn Befragten bei Konflikten auf Argumente setzen, in Diskussionen allen zuzuhören versuchen und andere Ansichten akzeptieren können. Ein Befund erscheint hingegen alarmierend: 59 Prozent der Befragten sagten, es gebe zu viele Muslime in Deutschland, 48 Prozent sehen „unsere gewohnte Lebensweise“ durch Geflüchtete bedroht, 57 Prozent finden, dass Geflüchtete zu hohe Sozialleistungen erhalten. Co-Autorin Andrea Metzner relativierte diese Zahlen jedoch: Die Befragung habe kurz nach der Bundestagswahl stattgefunden, die sehr vom Flüchtlingsthema dominiert war und auch mit islamfeindlicher Werbung einherging.

Mehrere Handlungsempfehlungen leiten die Autorinnen und Autoren aus den Ergebnissen ab. Zentral sind die Punkte, dass der Staat seiner originären Aufgabe nachkomme, Sicherheit im weitesten Sinne zu gewährleisten und politische Beschlüsse schnell umgesetzt würden. Zugleich sollen die Bürger jedoch so beteiligt werden, dass ihnen zugehört werde und sie auch tatsächlich Einfluss haben, wie Metzner betonte. Oft stehen dem fachliche und rechtliche Hürden im Weg, dabei zeigten sich mehr als die Hälfte der Befragten bereit zum Engagement fürs Gemeinwesen. In einem Folgeprojekt will das ASH-Team jetzt neue Formen der Beteiligung entwickeln und testen. Den Auftakt soll schon in dieser Woche ein „Bürgerforum“ machen. Es findet am Freitag, 5. April, um 18 Uhr im Audimax der Hochschule am Alice-Salomon-Platz statt. Unter dem Motto „Mein Bezirk wie er mir gefällt – Zukunft Marzahn-Hellersdorf“ sollen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer über das Zusammenleben im Bezirk, aber auch viele einzelne Themen von Mieten über Kinder und Jugend, Bildung, Pflege und Alter bis zu Freiraumgestaltung und dem Image des Bezirks diskutieren – und Verbesserungsvorschläge machen.

Am Kastanienboulevard öffnet kommende Woche auch ein „Bürgerbüro“ des Projekts – eben im einstigen Café Interfix in der Stollberger Straße 63. Zweimal in der Woche wollen die Forscherinnen und Forscher dort für Fragen und Ideen zur Verfügung stehen: einmal am Nachmittag, einmal am Vormittag, nämlich dienstags von 16 bis 18 und donnerstags von 10 bis 12 Uhr. Los geht’s am 9. April. Dann erscheint auch der nächste Bezirksnewsletter – mit weiteren Ergebnissen der Studie.