Namen & Neues

Account gesperrt: Was Sven Kohlmeier gern getwittert hätte

Veröffentlicht am 14.05.2019 von Ingo Salmen

Ein sicheres Zeichen für eine weit verbreitete Sprachlosigkeit ist, wenn eine Gesellschaft nicht mehr zuverlässig unterscheiden kann zwischen gut belegten Informationen oder auch harten Diskursbeiträgen einerseits und haarsträubendem Schwindel und schierem Hass andererseits. Es mag Graubereiche geben, in denen ein Urteil schwer fällt, aber es gibt auch klare Meinungsäußerungen, die Teil der politischen Auseinandersetzung sind und auch vor jedem deutschen Gericht sicher Bestand hätten. Darunter fällt dieser Tweet von Sven Kohlmeier: „Die Typen von der #AfD! So ein paar #Hitlerwein-Fotos schaden nicht der Parteimitgliedschaft. Wie rechtsradikal müssen Mitglieder eigentlich sein, um bei der #AfD rauszufliegen? #fragefüreinenfreund“.

Der Kaulsdorfer Sozialdemokrat mag manchmal ein loses Mundwerk haben (Berliner eben). Aber er ist auch Jurist und weiß, was er sagen kann und darf. In diesem Fall bezog er sich ausgerechnet auf eine politische Mitbewerberin aus Marzahn: Die Abgeordnete Jessica Bießmann. In seinem Tweet vom 4. Mai kommentierte Kohlmeier die Entscheidung des Landesschiedsgerichts der AfD, sie nicht aus der Partei auszuschließen. Neun Tage später, am Montag dieser Woche, holte der Tweet den Sozialdemokraten unverhofft ein: Nach einer Meldung sperrte Twitter seinen Account @KohlmeierSPD und begründete das mit einem „Verstoß gegen unsere Regeln zum Veröffentlichen von irreführenden Informationen zur Wahl“. Vor der Wahl stand jetzt Kohlmeier: Tweet löschen oder nicht? Er löschte nicht, legte Einspruch ein – und durfte am frühen Nachmittag weiter twittern.

Was wie eine Posse klingt, ist durchaus besorgniserregend. Kohlmeier kritisierte die Macht, die der Internetriese über den öffentlichen Diskurs bekomme, wenn er darüber entscheiden könne, „welche Meinungen zulässig sind und welche nicht“. Er ist auch nicht allein: Vor ihm traf es die SPD-Staatssekretärin Sawsan Chebli, nach ihm die Wochenzeitung „Jüdische Allgemeine“, in allen Fällen ging es um Tweets mit Bezug zur AfD. Die Berliner AfD war wiederum selbst schon einmal von einer solchen Sperrung betroffen.

Was Kohlmeier am Montag alles twittern wollte, während sein Account gesperrt war, hat er uns exklusiv übermittelt. Entscheiden Sie selbst: gefährlich oder nicht?

„Da stehste uff und dein Twitter-Account ist gesperrt. Frühstück ohne Twitter ist wie Schrippe ohne Marmelade. #twittersperrt

„Guter Empfang der @ash_berlin im @AGH_Berlin. Die #ASH ist nicht nur wichtig für Hellersdorf, sondern auch für die Ausbildung in #Berlin. Deshalb brauchen wir den Neubau mit Räumen. http://www.sven-kohlmeier.de/alice-salomon-hochschule-laedt-zum-emfang/

„Wieder feinstes Sommerwetter in #Berlin. Passend dazu gibt es jetzt eine neue Lieblings-Bank an meine Bürgerbüro in #Kaulsdorf! Nehmt Platz.“ Und dazu dieses Bild.

„Nach 3 Stunden ohne @TwitterDE merkt man erstmal die Abhängigkeit. Schlimmer als beim Rauchen! #twittersperrt

@TwitterDE wir müssen über unsere Beziehung reden! @SawsanChebli hat Recht, es wird immer absurder. https://twitter.com/SawsanChebli/status/1127861737041092608