Namen & Neues

Zu Hause ein Ärgernis: Zoologische Betrachtungen zur Lindenwanze

Veröffentlicht am 03.03.2020 von Ingo Salmen

Was ist das denn? Ein Ärgernis: die Lindenwanze. Und die war jetzt Thema in der Berliner Politik.

120 Punkte umfasste die Tagesordnung der Bezirksverordnetenversammlung im Berliner Bezirk Marzahn-Hellersdorf, zehn ausgedruckte DIN-A4-Seiten. Das war ein strammes Programm, auch wenn drei Punkte wieder zurückgezogen wurden. Der Großteil stand zudem auf den sogenannten Konsenslisten, die die Politiker*innen stets ohne Diskussion abarbeiten und teils en bloc in die Ausschüsse überweisen. Weil die BVV-Sitzungen in Marzahn-Hellersdorf auf fünf Stunden beschränkt sind und grundsätzlich um 22 Uhr enden, blieben dennoch 14 Punkte offen – und müssen bei nächster Gelegenheit nachgeholt werden. Manch fruchtloser Wortwechsel, manch zähe Debatte machten die Versammlung am Donnerstag zu einer ermüdenden Veranstaltung. Meistens jedoch hält die Tagesordnung auch noch zu später Stunde eine Perle bereit, die das Gemüt erheitert, statt es zu erregen. Da bildete auch die jüngste Sitzung keine Ausnahme.

Es war zehn Minuten vor zehn, als TOP 4.6, Drucksache 2002/VIII an die Reihe kam: eine eilig noch eingereichte Tischvorlage zu einem Schädlingsbefall. Nein, es ging nicht um das Coronavirus (das erstaunlicherweise überhaupt keine Rolle spielte), sondern eine ganz andere Gefahr: CDU-Fraktionschef Alexander J. Herrmann wollte wissen, was das Bezirksamt gegen den Lindenwanzen-Befall im Roßweiner Ring und in der Leisniger Straße in Hellersdorf zu tun gedenkt.

Der soll bereits auf die dortigen Mehrfamilienhäuser übergegriffen haben. Es folgte beinahe einer dieser Bündnerfleisch-Momente, denn das Straßen- und Grünflächenamt hatte wissenswerte Informationen des Berliner Pflanzenschutzamtes und der Senatsumweltverwaltung zu den possierlichen Tierchen zusammengestellt, die Stadträtin Nadja Zivkovic (ebenfalls CDU) wörtlich vortrug.

Der geneigte Naturfreund erfuhr dadurch, dass Lindenwanzen eigentlich im Mittelmeerraum zu Hause und „wärmeliebend“ sind. Nördlich der Alpen sind sie noch nicht lange anzutreffen.

In Berlin sind die Lindenwanzen erst seit diesem Jahr in Massen. Wirtspflanzen seien etwa Hasel, Pappel, Malvengewächse und Linde, „wobei die Wanzen eine Vorliebe für Linden haben“, wie Zivkovic referierte. „Larven und Adulte leben während der Vegetationszeit gesellig, aber weitgehend unbemerkt in den Baumkronen“, erfuhren die Bezirkspolitiker*innen. „Erst im Herbst sammeln sich die Wanzen zu Kolonien zusammen um auf der Baumrinde an dicken Ästen und Stämmen zu überwintern.“ Allerdings seien sie für ihre Wirtspflanzen nicht schädlich und müssten somit auch nicht bekämpft werden. Auch für den Menschen bestehe keine Gefahr.

Doch dann folgten das große Aber und der kleiner Schauder. „Lästig sind sie nur dann, wenn sie sich an warmen Hauswänden, Balkonen oder Fenstern aufhalten und so in die Häuser gelangen“, ließ Zivkovic die interessiert lauschenden Zuhörer*innen wissen.

„Werden Wanzen gestört, so kommen ihre Stinkdrüsen zum Einsatz. Ein Staubsauger ist hier hilfreich.“ Auch Fliegengitter an den Fenstern und „Leimböden“ auf den Simsen könnten eine „Besiedlung der Räume“ verhindern. Das mag amüsant klingen, doch die Stadträtin ist entschlossen im Kampf gegen die unangenehmen Mitbewohner*innen. „Wir werden uns als Straßen- und Grünflächenamt natürlich der Sache annehmen“, versicherte Zivkovic, „und dem Bürger die Hilfe zukommen lassen, die er benötigt.“ – Text: Ingo Salmen, Fotos: dpa, Imago/Blickwinkel

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