Namen & Neues

Busshuttle unter Corona-Bedingungen? Eltern schreiben Kanzlerin

Veröffentlicht am 05.05.2020 von Ingo Salmen

Die Grundschulsituation in Mahlsdorf ist seit Jahren angespannt. Besonders davon betroffen ist die Kiekemal-Grundschule. Sie war vor knapp zwei Jahrzehnten für 360 Kinder geplant worden. Mittlerweile liegt die Auslastung bei mehr als 150 Prozent – oder aktuell 549 Schüler*innen. Mit dem neuen Schuljahr wird sich die Situation erneut verschärfen: Dann kommen nämlich fünf neue erste Klassen, während im Sommer nur drei sechste Klassen abgehen. Die Schülerzahl dürfte auf mehr als 600 steigen. Eltern sprechen sogar von einer Auslastung von 180 Prozent – das wären etwa 650 Kinder.

Wie soll das alles unter Corona-Bedingungen funktionieren, fragen sie sich – und haben sich jetzt in ihrer Not sogar an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Familienministerin Franziska Giffey (SPD) gewandt. Elternvertreterin Jana Löschke lässt darin nicht nur durchblicken, dass ihr Vater Harald Löschke einst mit Merkel in Templin im selben Jahrgang der Erweiterten Oberschule war. Sie referiert auch ausführlich die vielen gescheiterten Versuche, die Schule zu entlasten (wir berichteten wiederholt) – und kritisiert die Bedingungen, unter denen im kommenden Schuljahr der Unterricht stattfinden soll.

Löschke findet das unverantwortlich, zwei zweite Klassen jeden Tag per Busshuttle zur Franz-Carl-Achard-Grundschule in Kaulsdorf zu fahren, weil sie nicht daran glaubt, dass der Transfer unter Wahrung der Abstandsregeln durchführbar ist, und auch die Vermischung verschiedener Schulen an einem Standort (die Elternvertreterin spricht von „Virenraum“) für gefährlich hält. Das alles müsste nicht sein, wenn es für die Kiekemal-Grundschule sogenannte „Fliegende Klassenzimmer“ auf dem nahen Lehnitzplatz gäbe. Doch die sollen erst im März 2021 fertig werden. Löschke macht dafür ein Versagen der Behörden, falsche Prioritätensetzung im Bauamt von Stadträtin Juliane Witt (Linke) und politisches Kalkül verantwortlich: Dem von Mario Czaja und der CDU geprägten Mahlsdorf würden SPD, Linke und Grüne gern „Jammern auf hohem Niveau vorwerfen. Deshalb richtet Löschke an Merkel die Bitte, „per Notfallverordnung den sofortigen Ersatzbau auf dem Lehnitzplatz zu veranlassen“.

Nun wäre es durchaus ungewöhnlich, wenn Kanzlerin und Bundesministerin in Schulangelegenheiten plötzlich bis nach Mahlsdorf durchregieren könnte. Auch beim Seuchenschutz kann Merkel seit Wochen nur moderieren, es entscheidet stets jedes Bundesland für sich. Deshalb geht Schulstadtrat Gordon Lemm (SPD) auf das Schreiben auch gar nicht ein, als ich ihn am Dienstag auf den Fall anspreche. Allerdings stellt er klar, wozu die Planung des täglichen Bustransfers dient: Bisher gebe es von der Senatsbildungsverwaltung keine Notfallmaßnahmen, die über das laufende Schuljahr hinausreichen, erklärt er. Daher müsse er auch den Fall planen, dass nach den Ferien wieder der Normalbetrieb aufgenommen würde. Das schließe den Shuttle ein, um jedem Kind einen Schulplatz anbieten zu können. Im Vertrag mit dem Fuhrunternehmen sei allerdings vorgesehen, notfalls auch zwei Busse statt nur einen einzusetzen, um Abstände einhalten zu können.

Ob nach den Ferien wieder alles normal laufe, sei eine andere Frage. „Ich sehe das ehrlich gesagt auch nicht, dass wir ab August wieder zum Regelbetrieb übergehen“, erklärt Lemm. Auch er hält es für wahrscheinlich, dass dann noch nicht jedes Kind wieder jeden Tag zur Schule gehen wird. Denkbar seien auch Schichtmodelle. Das hänge jeweils von den räumlichen Gegebenheiten der Schulen ab, die manchmal großzügiger, manchmal enger ausgelegt seien. Eine weitere Beschränkung des Präsenzunterrichts durch die Senatsbildungsverwaltung würde allerdings die Schulen schon entlasten. „Wir wissen nicht, was in den nächsten Wochen passiert“, sagte Lemm. Nicht im Detail äußern konnte er sich zu den Bauten auf dem Lehnitzplatz, die in die Zuständigkeit Witts fallen. Er wies allerdings darauf hin, dass die baurechtlichen Vorgaben dort meist recht eng seien. Eine Beschleunigung durch Bund und Land würde Lemm begrüßen. Witt teilte zu diesem Punkt mit, die gewählte Lösung sei bereits eine, die „möglichst kurzfristig umsetzbar ist“.

Größere Chancen als das Merkel-Schreiben könnte ein offener Brief der Kiekemal-Eltern an den Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) haben – zu guter Letzt am späten Dienstagnachmittag mit ähnlichem Wortlaut versandt. Müller hat in der Vergangenheit immer wieder seinen Staatssekretär Frank Nägele losgeschickt, wenn sich irgendwo in der Stadt Probleme aufgetürmt hatten. Und das Land hat allen Grund, in diesem Fall zu helfen: Die ungelöste Grundschulsituation in Mahlsdorf hängt auch damit zusammen, dass im Hin und Her zwischen Bildungsverwaltung, Umweltverwaltung und Bezirk ein kompletter Schulneubau an der Elsenstraße lange verschleppt wurde.  – Text: Ingo Salmen
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