Namen & Neues

Wenn Mario Czaja für die Corona-Hilfe-Partei antritt

Veröffentlicht am 16.02.2021 von Paul Lufter

Die CDU setzt beim Thema Corona auf einen Kümmer-Wahlkampf. Das belegen gleich zwei Aktionen aus jüngster Zeit: eine Postwurfsendung und ein neues Büro in Marzahn. Was beiden gemein ist: Der Name CDU taucht nirgendwo auf – dafür aber Mario Czaja, der federführend dahinter steckt. Über das Angebot, die Vereinbarung von Impfterminen zu übernehmen, hatte der Tagesspiegel-Newsletter Checkpoint bereits im Januar berichtet. Als Mitglied des Abgeordnetenhauses hatte Czaja sich mit entsprechendem Briefkopf als Ansprechpartner empfohlen und dabei auch den Abgeordneten Christian Gräff und den BVV-Fraktionschef Alexander J. Herrmann als Kontakte angegeben.

„Seltsame Nachbarschaftshilfe” nannte das Rechercheteam „Correctiv“ nun den Brief und fragte, inwiefern hier Grauzonen im Wahlkampf betreten werden. Direkte Wahlwerbung aus Mitteln für das Bürgerbüro ist nicht erlaubt, sich im Wahlkreis zu engagieren hingegen schon – doch wie soll man da die Grenze ziehen?

Die Expert*innen, die „Correctiv“ befragt hat, äußern sich so: Der Parteienrechtler Martin Morlok aus Düsseldorf findet das Hilfsangebot „grenzwertig”, auch weil Czaja ehrenamtlich als Präsident des Berliner Deutschen Roten Kreuzes (DRK) in Berlin amtiert, das zwei der sechs Impfzentren betreibt. „Das Rote Kreuz lebt davon, dass es parteipolitisch neutral ist”, sagt Morlok – allerdings erwähnt Czaja das DRK in seinem Schreiben gar nicht. Auch Christian Pestalozza von der Freien Universität Berlin erkennt lediglich irreführende Formulierungen, hält das Hilfsangebot an sich aber für unproblematisch.

Einen anderen Punkt greift der SPD-Politiker Jan Lehmann an: dass in dem Schreiben auch Czajas Parteifreund Herrmann erwähnt wird, der selbst kein Abgeordneter der CDU-Fraktion ist – es aber als Direktkandidat gern wieder werden möchte. Nämlich im Wahlkreis 6 für Kaulsdorf und Hellersdorf, wo sich auch Lehmann um die Nachfolge des Sozialdemokraten Sven Kohlmeier bewirbt.

Lehmann sieht die Chancengleichheit in Gefahr – und hat deshalb an den Präsidenten des Abgeordnetenhauses und die Präsidentin des Landesrechnungshofes geschrieben. „Ich möchte gern wissen, wie ich jetzige Mandatsträger des Berliner Abgeordnetenhauses und Verordnete der Bezirksverordnetenversammlung um Hilfe bei meinem Wahlkampf bitten kann“, fragt der SPD-Kandidat. „Es wäre schön, wenn ich zum Beispiel die Arbeit des Bürgerbüros eines Abgeordneten für meine Aktionen nutzen könnte.” Antworten stehen noch aus.

Wie sehr Czaja auf Bürgerservice setzt, zeigt auch ein anderes Beispiel: Auf Instagram veröffentlichte er ein Foto von seinem „Corona-Hilfe-Büro“ in der Marzahner Jan-Petersen-Straße 14. Seinen Angaben zufolge bieten hier ehrenamtliche Helfer*innen wochentags Unterstützung bei Einkaufstouren an, bei der Organisation von Impfterminen und Taxibuchungen. Schüler*innen können sich Unterlagen fürs Homeschooling ausdrucken lassen – ein Angebot, das auch viele Linken-Abgeordnete in ihren angestammten Wahlkreisbüros machen.

Interessant ist die Aufmachung des Büros: Wieder sieht es nicht nach CDU aus, sondern ganz nach Czaja. Kein Parteilogo, dafür die blaugrüne Farbe, mit der sich der Bundestagskandidat auch sonst präsentiert. Zudem ist das Büro zweisprachig gestaltet: auf Deutsch und Russisch.

Hier, in Marzahn, muss Czaja punkten: Er ist der Mann aus dem Siedlungsgebiet, nicht aus der Platte; in Marzahn waren die AfD und die Linke am stärksten; wenn Corona zu Frust führt, wird ihm kaum helfen, also versucht er von vornherein Frust zu vermeiden. Die AfD hat zudem schon 2016 die starke russischsprachige Community gezielt angesprochen, die CDU verlor im vorigen Jahr auch noch ihren Verordneten Sergej Henke an die Konkurrenz, nachdem er seiner Partei einen Linksruck attestiert hatte. Das Büro in Marzahn, zweisprachig gestaltet, ist der Konter.

Czaja hält Kritik an den Hilfsangeboten wiederum für Wahlkampfmanöver. Auf Nachfrage erklärt er: „Jedem Abgeordneten stehen steuerfreie Mittel für seine Wahlkreisarbeit zur Verfügung; übrigens ganz unabhängig, ob er diese ausgebe oder nicht. Es handelt sich zudem um ein Angebot der ganz konkreten Nachbarschaftshilfe, das bei uns nie an Wahltermine gebunden ist.” Das muss man Czaja zugestehen: Gekümmert hat er sich schon, als er noch nicht für den Bundestag kandidierte. Jedenfalls in Mahlsdorf. – Text: Ingo Salmen

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Dieser Text stammt aus dem Tagesspiegel-Newsletter für Marzahn-Hellersdorf. Mehr davon? Gern: Alle 12 Tagesspiegel-Newsletter für Berlins Bezirke gibt es in voller Länge und kostenlos hier – leute.tagesspiegel.de

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