Namen & Neues

AfD Marzahn-Hellersdorf taucht in Verfassungsschutz-Gutachten auf

Veröffentlicht am 16.03.2021 von Ingo Salmen

1001 Seiten lang ist das „Folgegutachten zu tatsächlichen Anhaltspunkten für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung in der Alternative für Deutschland (AfD)“. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat darin mithilfe der Landesämter aus öffentlich zugänglichen Quellen zusammengetragen, wo die AfD Positionen vertritt, die aus Sicht der Geheimdienste nicht mehr mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Es sind viele Puzzleteile – einige davon kommen auch aus der AfD in Marzahn-Hellersdorf.

Erwähnung finden etwa die Abgeordnete und Bezirksvorsitzende Jeannette Auricht und der Bezirksverordnete Daniel Birkefeld wegen der Unterstützung des für seine rechtextreme Biografie bekannten Brandenburgers Andreas Kalbitz und des Thüringers Björn Höcke, zwei zentralen Protagonisten des offiziell aufgelösten „Flügels“. Dass die nach rechts weit offene Struktur noch immer in der Partei großen Rückhalt hat, dokumentiert der Verfassungsschutz mit zahlreichen Beispielen. Dem „Flügel“ zugerechnet werden in dem Gutachten auch die Abgeordnete Jessica Bießmann (nach Hitlerwein-Fotos zwar nicht mehr in der Fraktion, aber noch immer in der Partei) und Marzahn-Hellersdorfs Vize-Bürgermeister Thomas Braun, neuerdings Direktkandidat für den Bundestag.

Birkefeld teilte zum Beispiel im April 2020 den Tweet eines Parteifreundes, der verkündete: „Deutschland ist das Land der Deutschen, die Deutschen sind ein Volk, der Islam gehört nicht zu Deutschland“. Damit werde ein homogenes Staatsvolk propagiert, das muslimische Bevölkerungsteile ausgrenze, analysierte der Verfassungsschutz, Birkefeld mache sich die Aussage durch das Teilen zu eigen. Ein weiteres Fundstück: Im Dezember 2019 habe Birkefeld bei Facebook davon berichtet, „mit rund 50 weiteren Teilnehmern aus dem AfD-Bezirksverband Marzahn-Hellersdorf“ am Pegida-Weihnachtssingen in Dresden teilgenommen zu haben.

Auch der Bezirksverband selbst taucht in dem Gutachten auf: Im Zusammenhang mit einem Brandanschlag auf das Auto eines AfD-Politikers im sächsischen Gablenz schrieb die AfD Marzahn-Hellersdorf im März zweimal von den „SA-Truppen“ der „sogenannten ‚demokratischen Parteien‘“. Der Verfassungsschutz wertete das als Herabwürdigung der demokratischen Parteien und Verharmlosung des Nationalsozialismus.

Wenn man sich die gesamte Berliner AfD ansieht, finden sich von „Umvolkung“ bis „Führerin“ alle möglichen kalkulierten Grenzüberschreitungen in der Dokumentation. Die Hauptstadt-AfD ist nicht so gemäßigt, wie sie sich gern verkauft, stellten Maria Fiedler und Frank Jansen fest, die das Gutachten für Tagesspiegel Plus analysiert haben. In jedem Fall bleibt sie gespalten: Beim mehrfach verschobenen Parteitag im Havelland wählte sie am Sonnabend die Abgeordnete Kristin Brinker mit zwei Stimmen Vorsprung vor Beatrix von Storch zur Landesvorsitzenden. Beisitzer wurde unter anderem der Marzahner Abgeordnete Gunnar Lindemann. Als Brinkers erste Stellvertreterin wurde Auricht bestätigt. Sie trat ohne Gegenkandidat:in an – und bekam trotzdem nur 57 Prozent der Stimmen.