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Folge der Bundesnotbremse: Seilbahn muss Betrieb einstellen

Veröffentlicht am 27.04.2021 von Ingo Salmen

Ein Wahrzeichen von Marzahn-Hellersdorf fällt der „Bundesnotbremse“ zum Opfer. Die strikten Regeln des überarbeiteten, am Sonnabend in Kraft getretenen Infektionsschutzgesetzes untersagen auch die Öffnung von „Seilbahnen, Fluss- und Seenschifffahrt im Ausflugsverkehr, touristischen Bahn- und Busverkehren und Flusskreuzfahrten“. Bei der Grün Berlin, die seit Januar die Regie bei der Seilbahn übernommen hat, hatte das vergangene Woche offenbar noch niemand bemerkt: Am Wochenende schaukelten die Gondeln noch gemütlich über den Kienberg, auch am Montag fuhr die Seilbahn. Nach einer Tagesspiegel-Anfrage vom Montagmittag teilte die Grün Berlin am Dienstag mit: Der Betrieb sei am Montagabend „bis auf weiteres“ eingestellt worden.

Das Vergnügen war kurz: Erst vor zwei Wochen, am 13. April, war die Seilbahn erstmals in diesem Jahr wieder gefahren. Die Regeln waren relativ streng: Maximal vier Personen oder ein Haushalt waren pro Kabine erlaubt, eine FFP2-Maske während der Fahrt Pflicht. An der guten Belüftung in der Höhe konnte es keinen Zweifel geben. Am Wochenende war die Bahn gut besucht, teilweise gab es 20 bis 30 Minuten Wartezeit, auch Besucher:innen aus anderen Bezirken stiegen zu, wie Augenzeugen dem Tagesspiegel berichteten.

Allerdings war die Bahn auch Abwechslung vom tristen Lockdown-Alltag für die Bevölkerung im Bezirk. Der Berliner Senat hatte Seilbahnfahrten bisher nicht untersagt, erst das Bundesgesetz zwang die Grün Berlin zum Stopp. Es kennt keine Differenzierungen, die kleine Kienberg-Seilbahn wird genauso behandelt wie die ungleich größere Touristenattraktion über dem Rhein in Köln, die sonst Hunderttausende an Besucher:innen im Jahr zählt.

Womöglich rächt sich nun, dass die Seilbahn in Marzahn-Hellersdorf, obwohl immer wieder vom Bezirk vehement gefordert, bis heute nicht Teil des öffentlichen Nahverkehrs in Berlin ist. Die Senatsverkehrsverwaltung hatte das abgelehnt, weil sie nicht der Erschließung von Wohngebieten diene – auf dem Kienberg stehen keine Häuser, um die Gärten der Welt herum fahren auch Busse. Vielmehr handele es sich um ein touristisches Angebot. Wäre die Seilbahn heute mit dem herkömmlichen VBB-Ticket nutzbar, würde sie wohl eher unter die Regelung für den öffentlichen Nahverkehr im Infektionsschutzgesetz fallen: Dann dürfte sie so weiterfahren wie seit Mitte April.

Die gute Nachricht: Wenigstens die Gärten der Welt müssen nicht schließen, obwohl der Eintritt kostenpflichtig ist. Das Infektionsschutzgesetz untersagt zwar auch die „Öffnung von Freizeiteinrichtungen wie insbesondere Freizeitparks“. Doch die Grün Berlin teilte dazu auf Tagesspiegel-Anfrage mit: „Die Parks der Grün Berlin sind Bestandteil der Daseinsvorsorge und bleiben somit geöffnet.“

Die Bundesnotbremse soll durch deutschlandweit strikte Regeln die Pandemie stärker eindämmen, als das bisher gelungen ist. Auch Berlin ist weit entfernt von einer Sieben-Tage-Inzidenz im zweistelligen Bereich. Sie liegt derzeit knapp unter 140, wobei das auch mit der gestiegenen Zahl an Tests zusammenhängen kann. Ein deutlicher Indikator, dass das Infektionsgeschehen zu hoch ist, ist die Auslastung der Intensivbetten mit Covid-19-Patient:innen: Sie liegt inzwischen wieder bei rund 27 Prozent. Die Belastung des Personals ist hoch.

Welche Instrumente die richtigen sind, ist allerdings umstritten. Gegen die nächtliche Ausgangssperre haben bereits am Wochenende mehrere Berliner Politiker:innen parteiübergreifend Verfassungsbeschwerde eingelegt, darunter auch der SPD-Rechtspolitiker und Kaulsdorfer Abgeordnete Sven Kohlmeier. Sie halten diesen Grundrechtseingriff nicht nur für zu weitreichend, sondern auch für verfehlt – denn die meisten Ansteckungen finden in Räumen statt, nicht im Freien. „Die Älteren und die vulnerablen Gruppen sind geimpft. Wenn sich jetzt zwei Haushalte abends treffen möchten, dann halte ich das für gerechtfertigt“, sagte Kohlmeier dem Tagesspiegel. Er verwies beispielhaft auf seine persönliche Situation. „Ich bin Single und habe oft einen langen Arbeitstag. Wenn ich dann abends spät rauskomme, darf ich bald niemanden mehr treffen.“