Namen & Neues
Die BVV-Wahl: Ein CDU-Sieg, aber keine klare Mehrheit
Veröffentlicht am 27.09.2021 von Ingo Salmen
„Ich bin echt baff, hätte ich nicht gedacht“, entfährt es Nadja Zivkovic am Sonntag kurz vor Mitternacht bei einem Telefonat mit dem Tagesspiegel. Die CDU ist noch bei ihrer Wahlparty in einem Autohaus und konnte kaum glauben, wie sich der Abend zu ihren Gunsten entwickelt hatte. „Wir alle starren auf den Bildschirm.“ Und können es selbst nicht fassen? „Ja, wirklich!“ Um die Nachfolge von Bezirksbürgermeisterin Dagmar Pohle (Linke), die bald in Pension geht, hatte es einen Dreikampf im Bezirksamt gegeben: Linken-Stadträtin Juliane Witt gegen SPD-Stadtrat Gordon Lemm gegen CDU-Stadträtin Zivkovic. Ausgerechnet die zuletzt ins Amt gekommene Zivkovic, 42, gewann, obwohl Witt und Lemm im Wahlkampf deutlich sichtbarer waren. Der Ausgang war wie erwartet eng: 20,8 Prozent für die CDU, 20,3 Prozent für die SPD, 19,9 Prozent für die Linke. Der Vorsprung der Gewinnerin: 687 Stimmen.
Doch ein Sieg bedeutet noch keine Mehrheit in der BVV: Die CDU muss nun mindestens 28 von 55 Stimmen für Zivkovic organisieren. Eine offenkundige Konstellation gibt es nicht: Mit SPD und FDP reicht es nur für 27. Doch auch ein klassisches rot-rot-grünes Bündnis hätte keine Mehrheit: Auch SPD, Linke und Grüne kommen nur auf 27 Stimmen. Es ist durchaus nicht unüblich, dass sich am Ende eine breite Übereinkunft für die Wahl ergibt, traditionell wird der stärksten Partei der Vorrang eingeräumt. Doch in Marzahn-Hellersdorf gab es einen Präzedenzfall: 2011 organisierte die SPD ein Bündnis mit CDU und Grünen und hievte Stefan Komoß anstelle von Pohle ins Amt, obwohl die Linke die Wahl knapp gewonnen hatte.
„Die Frage ist tatsächlich relativ offen“, sagt Lemm nun, als er am Montag darauf angesprochen wird, wer Bürgermeisterin oder Bürgermeister wird. Lemm sagt: Er will es werden – und verweist auf den Gleichstand bei den Sitzen in der BVV. Die SPD hat genauso wie die CDU zwölf. „Wir müssen gucken, ob’s eine Mehrheit gibt.“ Er könne sich eine fortschrittlich linke Zählgemeinschaft vorstellen, liberal und ökologisch, sagt Lemm – und wirbt damit gleich um die beiden kleinsten Fraktionen, die beide drei Sitze in der BVV haben. Die FDP könnte Bürgermeistermacher in Marzahn-Hellersdorf werden. Oder – wer hätte das gedacht! – die Tierschutzpartei.
„Man muss mit dem Ergebnis umgehen“, sagt Lemm so diplomatisch, wie es nur geht. In einem Punkt ist er aber klar: Es werde Gespräche mit den anderen Parteien geben, aber nicht mit der AfD. Auch Zivkovic sagt das am Montag genauso. Marzahn-Hellersdorf steht vor interessanten Wochen. Einen Tag nach der Wahl überwiegt erst mal die Freude bei Zivkovic: „Ich freue mich im Moment echt übers Ergebnis.“