Namen & Neues

Neues Bezirksamt steht (so gut wie) fest: CDU beschwert sich

Veröffentlicht am 09.11.2021 von Johanna Treblin

Während es draußen den ganzen Tag regnete, saßen umrahmt von bunten Regenschirmen die 54 Verordneten der neuen Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Marzahn-Hellersdorf am Donnerstagnachmittag und -abend in der Frauensporthalle im Freizeitforum Marzahn zu ihrer ersten Sitzung zusammen. Eigentlich sind sie 55, doch ein:e Verordnete:r fehlte entschuldigt. Drei neue Fraktionen müssen nun am Corona-Ausweichstandort untergebracht werden: FDP, Grüne und Tierschutzpartei. Die Gäste – inklusive der Presse – saßen oben auf der Tribüne.

Und obwohl nur die Konstituierung und die Wahlen zum BVV-Vorstand und dem Bezirksamt auf dem Programm standen, dauerte es am Ende fünfeinhalb Stunden, bis der offizielle Teil des Abends vorbei war. Dann stand fest: Steffen Ostehr von der Linken ist neuer BVV-Vorsteher. Er ist seit zehn Jahren Mitglied der BVV und war in der vergangenen Legislaturperiode Vorsitzender des Jugendhilfeausschusses. Zu seiner Stellvertretung wurde Chantal Münster (Grüne) gewählt. Sie studiert Recht und Politik in Frankfurt/Oder und ist Sprecherin der Landesarbeitsgemeinschaft QueerGrün. Beisitzerinnen wurden Luise Lehmann (SPD) und Inka Seidel-Grothe (Tierschutzpartei). Konstantin Krushinskij von der AfD fiel bei der Wahl als Beisitzer durch.

Gordon Lemm (SPD) wurde wie erwartet zum Bürgermeister gewählt. Er war zuvor Stadtrat für Schule und Sport. Künftig wird er für die Ressorts Wirtschaft, Finanzen und Bürgerdienste zuständig sein. In seiner Bewerbungsrede erzählte der 44-Jährige, als Kind mit seinen Eltern und zwei Geschwistern nach Marzahn gezogen zu sein. In der Uni habe er sich oft für seine Herkunft rechtfertigen müssen. Das Gefühl, sich für MaHe schämen zu müssen, habe sich erst verflüchtigt, als er in die BVV eingetreten sei. „Niemand muss sich dafür schämen, wo er herkommt, wo er aufgewachsen ist oder wo er geboren wurde“, sagte Lemm und erntete dafür großen Applaus.

Johannes Martin, Vorsitzender der CDU in MaHe, nutzte die Gelegenheit, vor der Wahl des Bezirksbürgermeisters noch einmal darauf hinzuweisen, dass die CDU im Bezirk als stärkste Fraktion aus der Wahl am 27. September hervorgegangen war. „Diesen Zuspruch hat nicht die CDU an sich bekommen, sondern wir haben ihn für unsere Inhalte bekommen.“ Martin erneuerte seinen Vorwurf an die SPD und die Linke, die Bezirksamtsbildung ohne Mitsprache der CDU vorbereitet zu haben. „Das entspricht nicht den demokratischen Gepflogenheiten“, sagte Martin. Bisher habe den Bezirk ausgezeichnet, „dass die großen demokratischen Kräfte trotz Kontroversen bei einzelnen Themen immer einen Weg der Verständigung finden konnten“. Martin erklärte weiter: „Uns hat dabei verbunden, dass wir für den Bezirk das beste erreichen wollten.“

Zur großen Zählgemeinschaft von Linken bis zur FDP sagte er, es sei ein reines Zweckbündnis, das sich nicht auf inhaltliche Gemeinsamkeiten verständigt habe. Abschließend sagte Martin: „Die Marzahn-Hellersdorfer können sich sicher sein, dass wir für ihre Interessen eintreten werden.“

Björn Tielebein, Linke-Fraktionschef in der BVV, wiederholte seinerseits noch einmal, was mir Bezirksvorstand Kristian Ronneburg vergangene Woche schon gesagt hatte: dass es auch in der Vergangenheit schon Zählgemeinschaften unter Ausschluss der Partei gab, die die meisten Stimmen auf sich vereinigen konnte, 2006 und 2011 sei das die Linke gewesen. (2016 gab es keine Zählgemeinschaft.) „Das ist ein demokratischer Akt.“ Tielebein fügte noch hinzu: „Sie werden ja wohl nicht sagen, dass Ihre Ämter unwichtig sind.“ Die CDU soll Schule und Sport sowie Soziales bekommen, siehe weiter unten.

Der Linken-Fraktionschef erklärte darüber hinaus: „Wir stehen dafür, dass ein Bezirksamt ein Kollegialorgan ist. All die Fragen, die Sie aufgeworfen haben, müssen gemeinsam im Bezirksamt besprochen werden. Wir wollen gerne mit Ihnen über die besten Lösungen streiten.“ Johannes Martin hatte noch die großen Herausforderungen des Bezirks angesprochen, darunter Schulplätze und Infrastruktur.

Anschließend wurde zur stellvertretenden Bezirksbürgermeisterin und Stadträtin für Soziales Nadja Zivkovic gewählt. Sie war bisher Stadträtin für Wirtschaft. In ihrer Bewerbungsrede beteiligte sich die CDU-Politikerin nicht an den Streitigkeiten zwischen den Parteien, stattdessen sprach sie wichtige Baustellen an, darunter auch die Modernisierung und Digitalisierung der Verwaltung. „Das muss gemeinsam angegangen werden“, sagte Zivkovic. Einzeln könne man den Wandel nicht hinbekommen. „Wir müssen kooperieren, transparent entscheiden und gut kommunizieren, dafür stehe ich.“

Auch Juliane Witt (Linke) bleibt Stadträtin und wechselt das Ressort. Bisher war sie für Kultur und Facility Management zuständig. Nun soll sie die Stadtentwicklung übernehmen. Gewählt wurde auch Torsten Kühne (CDU), bisher Schulstadtrat in Pankow. Das Ressort soll er auch in Marzahn-Hellersdorf besetzen. Für die SPD wurde neben Lemm Nicole Bienge gewählt (gesprochen mit kurzem i). Sie soll Jugend und Gesundheit erhalten.

Der sechste Stadtratsposten steht der AfD zu. Im Gespräch war hier Birgit Malsack-Winkemann, die zuletzt für die AfD im Bundestag saß. Der Tagesordnungspunkt zu ihrer Wahl wurde auf Antrag der AfD jedoch auf die nächste Sitzung am 18. November vertagt. Fraktionsvorsitzender Werner Wiemann sagte mir als Begründung, zum einen sei sie „heute nicht hier“. Außerdem gebe es dazu noch „Klärungsbedarf“.

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