Namen & Neues
Bauvorhaben im Bezirk: "Schluss mit der Zerstörung der Höfe"
Veröffentlicht am 09.08.2022 von Johanna Treblin
In der Bodo-Uhse-Straße 8/10 und Lily-Braun-Straße 13/15 sollen neue Wohnungen entstehen. Viele Anwohnende sind dagegen: Weil sie die Grünoasen vor der Tür schätzen, dort Bäume gefällt werden müssten, sie sich um das Klima sorgen und mangelnde Infrastruktur ankreiden. Einer dieser Anwohner ist Axel Matthies. Ich habe mit ihm über Klimaschutz gesprochen, den Stand der Bauvorhaben und was er jetzt noch erreichen kann.
Was hat der Klimaschutz mit grünen Innenhöfen zu tun?
Der Senat hat vor drei Jahren – im Dezember 2019 – die globale Klimanotlage anerkannt. Er hat sich damit auch zu dringendem Handeln für Klimaschutz und -anpassung bekannt. Das heißt auch, dass man Freiräume lässt, dass man nicht alles zubetoniert. Bäume spenden Schatten, kühlen und erhalten den Grundwasserspiegel. Grün ist kein Luxus, und grüne Innenhöfe sind keine spätrömische Dekadenz. Wir brauchen die Höfe zum Atmen.
Im Berliner Maßnahmenkatalog zur Klimanotlage heißt es, die Stadt müsse „zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels seine blau-grünen Infrastrukturen sichern“. Stattdessen sollen in Marzahn-Hellersdorf die ersten zwei Innenhöfe in der Lily-Braun- und der Bodo-Uhse-Straße bebaut werden. Was bedeuten die grünen Innenhöfe den Menschen, die dort leben?
Die Innenhöfe haben mehrere Funktionen: ein gutes Klima für die umliegenden Wohnungen, den Blick aufs Grün, Raum, um sich dort aufzuhalten und ihn aktiv zu nutzen. Immer mehr Kinder spielen dort. Und dort leben Vögel, Igel und ein Hase, die dann ihre Lebensgrundlage verlieren. Die Höfe sind von der Planung her so vorgesehen, dass sie niemals überbaut werden sollten. Aber diese schöne Idee wird jetzt leider total missachtet durch einen ganz fiesen Trick.
Der Trick ist?
Der Trick ist, dass im Jahr 1990 die Stadtverordnetenversammlung von Berlin die Planung aus DDR-Zeiten für Ostberlin hätte in bundesdeutsches Recht überleiten müssen. Wurde sie aber nicht, weil schon der damalige Bausenator Nagel unbedingt die freien Flächen in Ostberlin schnell ohne langes Plaunungsprozedere überbauen wollte. Dem haben sich die Ost-Berliner Stadtverordneten damals gefügt. Nun aber, 30 Jahre später, wird behauptet, Ost-Berlin sei ja generell unbeplant. Das heißt ganz praktisch: Sie haben uns die Höfe enteignet. Da soll nun nach Paragraf 34 Bau-Gesetzbuch gebaut werden. Ohne die Bewohner mal zu fragen.
Paragraf 34 Baugesetzbuch lässt Neubauten ohne detaillierte planerische Vorgaben und Bürgerbeteiligung zu, es kann dort nach Eigenart der näheren Umgebung verdichtet werden. Sie argumentieren, dass die grünen Innenhöfe in der DDR Teil der Komplexplanung gewesen sind, von planlosen Baulücken könne keine Rede sein.
Genau, aber die Wohnungsgesellschaft Stadt und Land soll auf Anweisung des Bausenators trotzdem bauen: jeweils zwei Blöcke mit 150 Wohnungen. Dafür muss alles Grün geschreddert werden. Dann verschlechtern sich die Wohnverhältnisse für die Bestandsmieter, und die paar Leute, die dazukommen, sehen, wenn sie aus dem Fenster gucken, auch nur Fahrrad- und PKW-Stellplätze. Es heißt im Paragraph 34 aber auch: „Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben.“ Das darf bei der geplanten Art von Verdichtung durchaus in Frage gestellt werden.
Wann soll es losgehen?
Bei uns in der Lily-Braun-Straße ist noch nichts angekündigt. In der Bodo-Uhse-Straße soll es ab Oktober losgehen. Die Anwohner sind informiert. Es gibt schon eine Baustellenzeichnung mit den Standorten der Baukräne. Dann kommen dort irgendwann im Morgengrauen die Trupps mit der Kettensäge und schreddern den grünen Hof weg. Das habe ich schon mal in Friedrichshain erlebt. Das war furchtbar.
Sie sind im Berliner Bündnis Nachhaltige Stadtentwicklung (BBNS) organisiert und haben an die Politik appelliert, die Bebauung zu stoppen. Was haben Sie erreicht?
Wir haben uns am Anfang des Jahres mit Forderungen an das Abgeordnetenhaus und den Senat gewandt. Kern unserer Forderung: Schluss mit der Zerstörung der Höfe, Partizipation der Anwohner und Suche nach Kompromissen oder Lösungen nach ökologischen Aspekten. Wir waren im Ausschuss für Stadtentwicklung und haben dort unsere Position vorgetragen. Ein Teil der Abgeordneten, vor allem von Linken und Grünen, teilt die Auffassung, dass die grünen Innenhöfe auf alle Fälle erhalten werden müssen. Nicht im Bündnis, aber als Mitglied der Anwohnerinitiative habe ich Briefe geschrieben an Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel und Umweltsenatorin Bettina Jarasch. Von Herrn Geisel habe ich gar nichts gehört. Den Brief an Frau Jarasch habe ich erst vor zehn Tagen geschrieben, da habe ich noch ein bisschen Hoffnung, dass sie sich noch bei mir meldet. Vor zwei Wochen hatten wir ein Treffen mit der Staatssekretärin für Mieterschutz, Ülker Radziwill, hier in Hellersdorf. Sie hat gesagt, sie wolle unser Anliegen in den nächsten 14 Tagen prüfen – das wäre jetzt vorbei. Auf ihre Antwort hoffe ich auch noch.
Wie sieht es mit Politiker:innen aus dem Bezirk aus?
Ich hatte die ganze Zeit gute und hilfreiche Kontakte mit den drei Mitgliedern des Abgeordnetenhauses hier vor Ort. Jan Lehmann von der SPD und Kristian Ronneburg von den Linken haben sich offenbar damit abgefunden, dass hier gebaut wird. Alexander Herrmann von der CDU glaubt, dass – so lange die Bäume stehen – es noch möglich ist, den Bau aufzuhalten. Das verbindet uns. Der Kampf ist noch nicht verloren. Die zuständige Bezirksstadträtin lässt uns komplett im Stich. Die BVV war mehrheitlich auf unserer Seite.
Und was machen Sie jetzt noch außer zu hoffen?
Ich warte auf Antwort von Frau Radziwill und von Frau Jarasch. Hier vor Ort werden wir vielleicht noch eine Protestveranstaltung planen. Als BBNS planen wir für Anfang September ein Pressegespräch. Dann legen wir auch noch mal einen Forderungskatalog vor. Gegen den Willen der Menschen in der Klimanotlage zu agieren, ist unwürdig für einen rot-grün-roten Senat.
Und wenn Sie bis Oktober nichts erreicht haben, dann sitzen Sie am 1. Oktober ab morgens früh im Hof?
Grundsätzlich glaube ich an die Vernunft der Menschen. Die Hoffnung stirbt zuletzt.
- Ein Foto vom grünen Innenhof finden Sie weiter unten im Newsletter in der „Kiezkamera“.
- Hintergründe zum Bauvorhaben hatte ich hier schon einmal aufgeschrieben.