Namen & Neues

Die AfD und die Reichsbürger:innen - Bezirkspolitiker:innen klagen an

Veröffentlicht am 20.12.2022 von Johanna Treblin

Noch bevor die Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung am Donnerstag startete – übrigens mit einer Stunde Verspätung, weil die Firma nicht auftauchte, mit der die Sitzung im Internet übertragen wurde – ergriff Bürgermeister Gordon Lemm (SPD) das Wort. Es ging um die Razzia gegen eine Gruppe von Reichsbürgern (ich berichtete) und die Verbindungen zur örtlichen AfD.

„Ich war ernsthaft schockiert, wie die meisten von Ihnen, als ich von einer Gruppierung lesen musste, die geplant hatte, mit Waffengewalt einen Staatsstreich zu begehen“, sagte Lemm. „So unglaublich sich das auch anhören mag, betreffen diese Ereignisse auch unseren Bezirk.“ Tatsächlich hatte nämlich die AfD-Fraktion zu Beginn der Legislaturperiode Birgit Malsack-Winkemann als Stadtratskandidatin vorgeschlagen. Sie zog dann aber ihre Kandidatur „aus persönlichen Gründen“ zurück. Malsack-Winkemann wurden nun als vermeintlicher Teil dieser Verschwörung festgenommen.

Lemm sprach daraufhin die Verordneten der AfD-Fraktion direkt an: „Als Bürgermeister erwarte ich umfassende Aufklärung von Ihnen. Wie kam es dazu, dass Sie uns eine Demokratiefeindin vorschlagen konnten? Wer hat warum entschieden, dass diese Dame Ihre Kandidatin wird?“ Weiter fügte er hinzu: „Wir reden hier nicht von einer Bagatelle oder einer persönlichen Verfehlung, wir reden hier von einem Menschen, dem vorgeworfen wird, unsere Demokratie mit einem Staatsstreich abschaffen zu wollen.“

Später äußerten sich auch der Linken-Verordnete Klaus-Jürgen Dahler und der SPD-Fraktionsvorsitzende Günther Krug in eine ähnliche Richtung. Dahler wies darauf hin, dass Malsack-Winkemann die AfD Marzahn-Hellersdorf im Wahlkampf unterstützt hatte. „Wie nah sie der AfD in Marzahn-Hellersdorf steht, wurde immer wieder deutlich.“ Als ihre Festnahme bekannt wurde, habe der ehemalige AfD-Bezirksfraktionsverordnete Daniel Birkwald darüber hinaus von „völlig haltlosen Vorwürfen“ gesprochen. Dahler sagte, er erwarte von der AfD-Fraktion, „dass Sie sich ganz klar von diesen Umsturzplänen distanzieren und sich dafür entschuldigen, dass Sie diese Abgeordnete als Bezirksstadträtin nominieren wollten“.

„Wir haben bisher zu recht keinem Vorschlag der AfD zum Bezirksstadtrat zugestimmt“, fügte Dahler an. „Die Nähe der AfD Marzahn-Hellersdorf zu Reichsbürgern und deren Anschauung ist offensichtlich. Die Gefahr, die von rechts ausgeht, ist eine reale Gefahr. Setzen wir uns auch weiterhin gemeinsam mit deren Anschauung auseinander. Unsere Demokratie muss wehrhaft und wachsam sein.“

Günther Krug sprach zum erneuten Antrag der AfD, Michael Adam im nun zwölften Wahlgang zum Ordnungsstadtrat zu wählen. Er zeigte sich irritiert, dass Adam zum wiederholten Mal aufgestellt worden war und dass die AfD die Gelegenheit nicht nutzen wollte, um auf die Fragen des Bezirksbürgermeisters zu antworten. Er erinnerte auch daran, dass sich Malsack-Winkemann als Kandidatin ihrer Partei sogar schon in der SPD-Fraktion vorgestellt hatte. Dort habe sie deutlich gemacht, dass sie die Coronapandemie ignorierte und auch den Bezirk „gar nicht richtig kannte“.

Auf Krugs Frage, wie sie zum rechten Flügel stehe, sagte Malsack-Winkemann offenbar, dass sie nicht mit ihm übereinstimme und Sacharbeit leisten wolle. Sie glaube an das Gute im Menschen und dass alles veränderbar sei. „Heute begreife ich, was da gesagt wurde. Was wäre geworden, wenn diese AfD-Kandidatin Bezirksamtsmitglied geworden wäre? Und sie dann ihre Veränderungen mit einem Staatsstreich durchsetzen hätte können. Was ist das für ein Unterfangen der AfD, eine solche Frau für unser Bezirksamt zu nominieren?“

Mehrfach angesprochen, meldete sich Werner Wiemann, Vorsitzender der AfD-Fraktion, dann doch zu Wort. Das einzige, was er in wiederholten Wortbeiträgen sagte, war, es gelte die Unschuldsvermutung. Er und seine Fraktionskolleg:innen seien keine Propheten. „Ich sehe keinerlei Grund mich zu entschuldigen, dass wir diese Frau, ohne all die Vorwürfe zu kennen, nominiert haben. Die AfD stehe voll auf dem Boden des Grundgesetzes. Dann versuchte er, die Vorwürfe zu verharmlosen, indem er eine mögliche psychische Krankheit von Malsack-Winkemann ins Spiel brachte, die bisher nirgends eine Rolle gespielt hatte: „Wenn zum Beispiel das Ergebnis sein wird, dass die Genannte einen psychischen Schaden hat, dann fällt ganz viel von dem, von dem Sie Distanzierung verlangen, weg.“

Dass die AfD-Fraktion in Marzahn-Hellersdorf nicht erst seit der Geschichte mit Malsack-Winkemann eine Nähe zum rechtsextremen Flügel der Partei hat, machte der Linken-Fraktionsvorsitzende Bjoern Tielebein deutlich. Die Verordneten hätten „in der Vergangenheit mehr als deutlich gemacht, dass Sie Personen aus extremistischen Bestrebungen nahestehen.“ Er erinnerte daran, „dass wir hier einen Bezirksverordneten auf dem Ticket der AfD im Hause hatten, der ein Verehrer des Massenmörders Reinhard Heydrich war: Bernd Pachal. Bevor er aus Ihrer Partei ausgetreten ist, war er bei Ihnen hoch angesehen. Sie, Herr Wiemann, haben ihn in der BVV noch verteidigt.“ Zudem habe die Marzahn-Hellersdorfer AfD den Rechtsextremisten Björn Höcke aus Thüringen zu Veranstaltungen eingeladen. „Wir wissen, dass Ihr Bezirksverband dem rechtsextremen Flügel sehr nahesteht.“