Namen & Neues
CDU gewinnt über 30 Prozent der Stimmen
Veröffentlicht am 13.02.2023 von Johanna Treblin
2021 fuhr die CDU im Bezirk einen massiven Wahlkampf, mit Plakaten, aber auch mit Familienfesten. Mario Czaja war gefühlt omnipräsent, auch wenn er möglicherweise nicht mehr in der Straßen unterwegs war als die Vertreter:innen der konkurrierenden Parteien. Die spekulierten darüber, wie der CDU-Wahlkampf finanziert wurde. Fakt war: Es hatte was gebracht, die CDU legte überall stark zu.
2023 war anders. Der Zeitraum, Wahlkampf zu machen, war kurz. Es ist Winter, wer mit Ständen auf den Straßen präsent sein wollte, musste frieren. Natürlich gab es trotzdem Plakate, Veranstaltungen und Flyer. Aber die CDU hielt sich im Grunde zurück.
Dennoch gewann sie den Bezirk. Sie kletterte um etwa 11 Prozentpunkte auf 31,4 hinauf, ließ die SPD, von der sie 2021 lediglich 0,5 Prozentpunkte getrennt hatte, weit hinter sich. Selbst in Wahlkreisen, in denen sie bisher keine Chance gehabt hatte und auch so gut wie kein Plakat aufgehängt hatte, landeten ihre Kandidat:innen weit oben, holten teils das Direktmandat (siehe weiter unten) oder landeten immerhin auf Platz zwei.
Das spiegelt das Ergebnis auf Landesebene wider. Und es gibt zwei Erzählungen, was die Ursachen sind. Für CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner ist es ganz klar: „Die Berlinerinnen und Berliner wollten einen Politikwechsel in der Stadt. Wir sind mit den Themen angetreten, die die Berliner bewegen“, sagte er im Interview mit meinem Kollegen Christian Latz auf Tagesspiegel Plus.
Die andere Erzählung ergibt sich aus einer Umfrage der ARD. Sie hat die CDU-Wähler gefragt, woher ihre Wahlentscheidung rührte. 42 Prozent gaben an: „aus Überzeugung für meine Partei“. Klingt viel, ist aber 14 Prozentpunkte weniger als noch 2021. Hingegen sagten 50 Prozent, sie hätten die CDU gewählt aus „Enttäuschung über andere Parteien“. Die CDU als neue Protestpartei?
Wogegen Protestwähler:innen protestieren, ist nie so klar zu sagen. Tagesspiegel-Chefredakteur Christian Tretbar fasst es in einem Kommentar (T+) so zusammen: „Protest gegen die Streitigkeiten zwischen SPD, Grünen und Linken. Protest gegen eine seit Jahren nicht richtig funktionierende Stadt. Und Protest auch gegen eine Art kulturelle Dominanz der Innenstadt mit ihren Themen und den Außenbezirken.“
Da wären wir wieder bei der CDU in Marzahn-Hellersdorf. Hat sie auch hier vor allem aus Protest gewonnen?
Kristian Ronneburg sieht das so. Er steht der Linken im Bezirk vor und sitzt für seine Partei – auch nach der Wiederholungswahl – im Abgeordnetenhaus. Er macht es an Beispielen fest. Zum Beispiel am CDU-Kandidaten Andrej Eckhardt in Hellersdorf (kein Parteimitglied), der zwar 2021 einen starken Wahlkampf gemacht habe, aber am Ende chancenlos war. 2023 sei er „praktisch nicht existent“ gewesen – und hat dennoch beinahe das Direktmandat gewonnen. Das ging dann aber an die AfD.
Auch die CDU-Direktkandidatin Medina Schaubert in Marzahn-Nord sei wenig präsent gewesen. Auch sie landete auf dem zweiten Platz. „Das Wahlergebnis spiegelt nicht das tägliche politische Engagement der Parteien in unseren Stadtteilen wider“, resümiert Ronneburg. Die CDU habe sich überhaupt nicht bemühen müssen, ihre Kandidat:innen öffentlich zu präsentieren. „Viele Wähler:innen wussten gar nicht, wer vor Ort kandidiert und haben trotzdem ihr Kreuz bei ihnen gemacht.“
Über das Ergebnis der Linken sagt Ronneburg: „Wir sind nicht zufrieden – da hätten wir uns schon mehr erhofft.“ Die Linke sei zwar – trotz der eisigen Temperaturen – viel im öffentlichen Raum präsent gewesen, habe es aber nicht geschafft, ihre Klientel ausreichend zu mobilisieren, was man auch an der niedrigen Wahlbeteiligung im Norden des Bezirks sehen könne. Die CDU habe es letztlich geschafft, „die Sorgen vieler Menschen geschickt zu nutzen, zuzuspitzen, Versprechungen zu machen – und viele haben dem letztlich Glauben geschenkt“.
„Klar war das eine Abwahl von Rot-Rot-Grün“, sagt Nadja Zivkovic, derzeit Sozialstadträtin, aber auch Spitzenkandidatin der CDU. Sie könnte nun Bezirksbürgermeisterin werden. Allerdings sei die CDU sehr wohl in den Kiezen unterwegs und mit Inhalten präsent gewesen. Ihre Partei nehme sich vieler kleiner Themen an, wie kaputter Bürgersteigen oder fehlender Straßenschilderr. Aber es gelte auch: „Torsten Kühne hat als Bildungsstadtrat im vergangenen Jahr viel erreicht, im Sozialen habe ich viel erreicht – das nehmen die Leute wahr. Genauso wie die Arbeit unserer Abgeordneten.“
- In diesen Bezirken und Wahlkreisen hat die CDU besonders stark hinzugewonnen (Tagesspiegel Interaktiv)