Namen & Neues

Rechtsextreme Kampagne gegen Berliner Register

Veröffentlicht am 17.10.2023 von Dominik Lenze

Seit Wochen läuft ein rechter Shitstorm gegen die Berliner Registerstellen. Anfang Oktober hat ein rechtsextremes Online-Portal aus Österreich eine Kampagne gegen die Registerstellen gestartet. Mit dabei: Gunnar Lindemann, AfD-Abgeordneter aus Marzahn-Hellersdorf.

Die Berliner Register dokumentieren seit fast 20 Jahren menschenfeindliche Aktivitäten in den Kiezen, wie beispielsweise Neonazi-Propaganda in Form von Stickern oder Graffiti oder Berichte über beispielsweise rassistische, queerfeindliche oder antisemitische Vorfälle. Die Meldungen, die von den Mitarbeitenden der Registerstellen geprüft werden, sind öffentlich einsehbar. Die Vorfälle werden anonymisiert veröffentlicht.

Rechtsextreme Akteure behaupten nun fälschlicherweise, die Register seien ein “Petz-Portal”, dass der Denunziation diene. Die Registerstellen werden hierbei mitunter als “Stasi 2.0.” bezeichnet. Die Register werden nicht nur auf Social-Media, beispielsweise auf dem Twitter-Nachfolger X, diffamiert: Auch wurde dazu aufgerufen, die Meldestellen der Register mit Fake-Meldungen zu fluten.

Nun solidarisieren sich verschiedene Berliner Organisationen, darunter die pad g GmbH und der Landesverband der Falken Berlin, mit den Registern. “Dieses Mal waren die Berliner Register betroffen, morgen wird es ein anderes Projekt, eine andere Person, eine andere Organisation oder eine*n Politiker*in treffen”, heißt es in der gemeinsamen Erklärung. Durch den rechten Shitstorm solle ein bestimmtes Zerrbild in der Öffentlichkeit erzeugt werden: Dass nämlich Zivilgesellschaft, Politik und Verwaltung unter einer Decke stecken würden, um eine von rechten (befürchtete) “Gesinnungsdiktatur” voranzutreiben. Das Ziel sei, die AfD als einzig wählbare Partei zu inszenieren. 

Bemerkenswert ist: Federführend bei dieser Kampagne ist ein rechtsextremes Online-Portal aus Österreich, der „Heimatkurier“. Das Portal hat Anfang Oktober auf X eine Online-Konferenz veranstaltet, um zu planen, wie gegen die Registerstellen vorzugehen sei. Auch Gunnar Lindemann aus Marzahn-Hellersdorf hat dem „Heimatkurier“ zufolge daran teilgenommen. Verantwortlich für das rechtsextreme Portal ist laut Impressum Philipp Huemer, ein führender Kader der Identitären Bewegung in Österreich.

Weshalb interessieren sich Rechtsextreme aus Österreich für Berlin? Um das herauszufinden, habe ich bei Andreas Peham angerufen. Peham ist einer der renommiertesten Rechtsextremismus-Forscher in Österreich und arbeitet beim Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes. “Rechtsextreme Medien aus Österreich zielen immer auch auf ein Publikum in Deutschland”, sagt er. Einerseits hoffen Sie hier darauf, mehr Menschen zu erreichen als allein in Österreich. Andererseits würden sich Rechtsextreme aus Österreich als Deutsche betrachten – und wollen die AfD unterstützen. Vergleichbare Hetz-Kampagnen gegen Organisationen oder Personen aus der Zivilgesellschaft würde es auch in Österreich geben, so Peham. 

Offenbar fühlen sich auch viele Nicht-Berlinerinnen und -Berliner aufgerufen, bei der Kampagne gegen die Register mitzumachen. “Teilweise habe ich Anrufe von Leuten aus Bayern oder Baden-Württemberg erhalten, in denen wir beschimpft worden sind”, sagt Kati Becker, Leiterin der Registerstellen. Ihrer Einschätzung nach gehe es bei der Kampagne nicht um die Arbeit der Registerstellen im Speziellen: “Solche Shitstorms gibt es bundesweit”, sagt sie. Vergleichbare Narrative, zum Beispiel der “Stasi 2.0.”-Vorwurf, habe es auch beispielsweise gegen die Amadeu-Antonio-Stiftung gegeben. “Die Funktion solcher Kampagnen ist, Menschen zu emotionalisieren und als Wählerinnen und Wähler für die AfD zu mobilisieren”, sagt sie. 

Der Erfolg der Aktion hält sich bislang in Grenzen. Anfang des Monats seien noch zahlreiche Fake-Meldungen eingegangen, berichtet Becker. Inzwischen gehe die Zahl wieder zurück.