Kiezgespräch
Veröffentlicht am 07.01.2020 von Ingo Salmen
Warum zerstört man einen Treff für Familien und Kinder? Diese Frage stellen sich gerade die Anwohner an der Wörlitzer Straße in Marzahn-Nord. Am Neujahrstag hat es dort am Blockhaus „Sunshine“ gebrannt. Eine Außenwand ist offenbar von unbekannten Tätern angezündet worden – und zwar nicht durch Pyrotechnik, wie man angesichts des Datums meinen könnte. Es sei Brandbeschleuniger zum Einsatz gekommen, berichtet Familienstadtrat Gordon Lemm. Unmittelbar nach dem Feuer klang der SPD-Politiker noch vergleichsweise optimistisch: Das Gebäude sei „nur von außen beschädigt“, schrieb er auf seiner Facebook-Seite. Inzwischen hat Lemm jedoch erfahren, dass der Schaden größer ist als gedacht: Die Wohnungsbaugesellschaft Degewo, auf deren Grund die Holzkonstruktion steht, habe einen Gutachter vorbeigeschickt – und der habe festgestellt, dass die Reparatur so aufwendig wäre, dass man von einem Totalschaden ausgehen müsse, sagte Lemm dem Tagesspiegel. Das Bauamt prüft jetzt die Kosten eines Wiederaufbaus.
Anwohner hatte die Flammen mitten am Tag bemerkt und schnell die Feuerwehr alarmiert. Viele hängen an dem Blockhaus: Seit mehr als 20 Jahren ist es von März bis Oktober ein beliebter Treffpunkt für Eltern im Innenhof eines Plattenbau-Komplexes. Kinder bekommen hier Nachhilfe oder leihen sich Spielgeräte für draußen aus. Eigentümer ist das Bezirksamt, vom Kinderkeller im Kulturhochhaus wird das Haus nachbarschaftlich (selbst)verwaltet. „Wenn wir wissen, wie viel es kostet das Haus zu reparieren, werden wir schauen, ob wir das als Jugendamt selbst bezahlen können oder Hilfe benötigen“, kündigt Lemm an. Darauf will der Kinderring als Träger des Kulturhochhauses nicht warten. Jennifer Hübner, zugleich SPD-Fraktionsvorsitzende in der BVV, hat für den Verein bereits eine Online-Spendenaktion gestartet. Das Ziel: 9999 Euro für Gebäude und Ausstattung zu sammeln. Mehr als 7000 Euro fehlen noch.
Und erinnern Sie sich noch an das kleine Weihnachtswunder, über das wir im Dezember berichtet hatten? Anja Kleppek aus Mahlsdorf hatte Spenden für eine ältere Nachbarin gesammelt, die von Waschmaschinenverkäufern betrogen worden war. Diese hatten der bedürftigen Frau ein defektes Gebrauchtgerät geliefert und waren danach spurlos verschwunden. Binnen vier Stunden trieb Kleppek über das Netzwerk nebenan.de knapp 300 Euro zusammen, um der älteren Dame eine neue Maschine zu kaufen. Auf unseren Bericht hin kam die gleiche Summe dann noch mal zusammen. Kleppek konnte der Frau deshalb weitere 100 Euro geben, die sie sich bei einer anderen Nachbarin für das Gebrauchtgerät geborgt hatte.
Und eine Bescherung für Obdachlose am Lichtenberger Bahnhof saß auch noch drin. Mit den verbliebenen 188 Euro schaute Kleppek dort einen Tag vor Heiligabend an der „Platte“ vorbei (hier ein Bericht meines Kollegen Robert Klages über das Camp) und fragte die Menschen, was sie dringend brauchen. „Gekauft habe ich mit ihnen zusammen: zwei Paar richtig warme Winterstiefel in Größe 47 und 44 für zwei Männer, zwölf Paar Wollsocken für sechs Männer, Unterwäsche und Thermoleggings für die beiden Frauen und für alle Hygieneartikel im Wert von 40 Euro sowie 15 Liter Trinkwasser“, berichtete Kleppek jetzt dem Tagesspiegel. Die fehlenden zwölf Euro legte sie selbst noch obendrauf. „Ich danke Ihnen nochmals für den Artikel und die Hilfe, die damit losgerollt ist!“, schrieb Kleppek. Doch der Dank muss eigentlich ihr und allen Spender*innen gelten. – Autor: Ingo Salmen
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