Kiezgespräch

Veröffentlicht am 08.09.2020 von Ingo Salmen

Das alljährliche Demokratiefest „Schöner leben ohne Nazis“ ist der AfD schon länger ein Dorn im Auge. Mehrere Politiker wollten sich das Treiben bei der jüngsten Auflage am Sonnabend auf dem Alice-Salomon-Platz in Hellersdorf einmal ansehen. Der AfD-Abgeordnete Gunnar Lindemann gab sich, als wäre er mal wieder in der Ukraine unterwegs, als „parlamentarischer Beobachter“. Das endete erwartbar im Eklat. Noch am selben Abend verschickte Lindemann eine Pressemitteilung und gab bekannt, dass er tätlich angegriffen worden sei.

Was war passiert? Darüber gehen die Darstellungen etwas auseinander. Gesichert ist, dass es einen Konflikt gab zwischen Lindemann und zwei Mitarbeitern eines Sicherheitsdienstes, die hinzukamen, nachdem Lindemann des Festes verwiesen worden war. Der Mitteilung des Abgeordneten zufolge sei er in den Schwitzkasten genommen worden und habe Atemprobleme bekommen. Anwesende Polizisten seien daraufhin eingeschritten. In einer Erklärung bei Facebook vom Sonntag teilte das Bündnis mit: Über die drei Eingänge verteilt hätte eine Gruppe von AfD-Angehörigen versucht, Einlass zu erhalten und diesen auch bekommen – bis auf einen, der sich geweigert habe, sein Parteiabzeichen abzunehmen und eine Maske aufzusetzen. Lindemann habe „direkt nach Einlass“ begonnen, andere Besucher*innen „ungefragt in Großaufnahme“ zu fotografieren. Als er das nicht unterlassen wollte, sei er des Geländes verwiesen worden – mit dreimaliger Aufforderung. Schließlich habe ein Sicherheitsdienst versucht, ihn vom Platz zu befördern. Wie das genau erfolgt ist, ist der Erklärung nicht zu entnehmen. Die Darstellung Lindemanns wird allerdings nicht dementiert.

Eine Sprecherin der Polizei bestätigte dem Tagesspiegel auf Anfrage einen Konflikt zwischen Lindemann und den Security-Mitarbeitern beim Versuch, ihn vom Gelände zu führen, was sich gegen 16 Uhr zugetragen haben soll. Lindemann habe Anzeige gegen diese erstattet. Der Staatsschutz ermittle nun wegen des Verdachts auf Körperverletzung, der genaue Hergang müsse dabei noch geklärt werden. „Wir möchten klarstellen, dass wir als Veranstalter:innen das Hausrecht auf dem für unsere Veranstaltung angemeldeten Platz hatten“, heißt es weiter in der Erklärung auf Facebook. „Deshalb oblag es auch uns die Persönlichkeitsrechte der anwesenden Personen zu schützen und Regeln für den Besuch der Veranstaltung aufzustellen und durchzusetzen.“ Die „Provokation“ der AfD habe „einzig und allein dem Erheischen von Aufmerksamkeit“ gedient.

Lindemann griff nach ganz großen Vokabeln. „Dieser Angriff auf mich war ein Angriff auf die Demokratie“, teilte er mit. „Hier haben die Linken und ihre Seilschaften einmal mehr ihr wahres Gesicht gezeigt.“ Solche Enthüllungen hat Lindemann gern. Erst am Donnerstag legte er im Abgeordnetenhaus offen, dass der „Sturm auf den Reichstag“ bei der Querdenken-Demo eine Woche zuvor lediglich eine „Inszenierung des Verfassungsschutzes“ gewesen sei.