Kiezgespräch

Veröffentlicht am 15.09.2020 von Ingo Salmen

Der Herbst bezieht seinen Zauber auch aus den vielen Farben, die die Natur im Licht der letzten kräftigen Sonnenstrahlen noch einmal annimmt, ob Rot, Orange oder Gelb, vom Grün zum Braun. Der Berliner Herbst hat immer noch ein paar mehr Farben zu bieten: wenn beim Festival of Lights die schönsten Bilder auf die Fassaden der Stadt geworfen werden. Waren die Lichtmaler in der Vergangenheit vor allem zwischen Brandenburger Tor und Fernsehturm aktiv, geht das Festival in diesem Jahr auch verstärkt in die Bezirke.

„Kiez im Licht“ heißt die Aktion. Auch Marzahn-Hellersdorf ist mit von der Partie: An der Wand des Rathauses Hellersdorf am Alice-Salomon-Platz zeigt die Lichtmanufaktur Spreefunkeln noch bis Sonntag täglich zwischen 20 Uhr und Mitternacht eine Collage aus vier Persönlichkeiten und zwölf Erfindungen, die mit dem Bezirk verbunden sind. Wer sie erkennt, kann ein Exemplar des Buches „erdacht & gemacht in Marzahn-Hellersdorf“ gewinnen.

Am Sonntag schaltet sich auch das Bezirksmuseum dazu. In Alt-Marzahn macht dann die „Bärentour“ des Berliner Stadtmarketings Station, um das neu entwickelte Logo der Stadt in einer Lichtshow zu präsentieren. Bekanntlich hält der Bär, verschlankt und weniger wild, wieder Einzug in die Imagewerbung der Hauptstadt. Damit einher geht ein neuer Slogan: „be Berlin“ wird ersetzt durch „Wir sind ein Berlin“ – oder besser #WirSindEinBerlin, es muss ja alles auch als Hashtag taugen. Statt den Individualismus soll die Kampagne stärker das Gemeinschaftsgefühl betonen, was sicherlich kein falsches Anliegen ist. Die Rede ist von einer „partizipativen Markenstrategie“.

Geschichtsvergessen ist sie jedoch auch: Der neue Fokus wird unterfüttert mit der Formel „Vom Ich zum Wir“ – mit denselben Worten bemäntelte die DDR-Propaganda vor 60 Jahren die Zwangskollektivierung in der Landwirtschaft, heute noch zu besichtigen auf einem Grenzstein im Zeitgeschichtlichen Forum in Leipzig. Und auf der Kampagnenseite wir.berlin ziert ausgerechnet den Bereich „Presse“ ein Bild, das an den sozialistischen Händedruck erinnert. Nein, danke.