Kiezgespräch

Veröffentlicht am 25.07.2023 von Dominik Lenze

Kritik an Merz aus dem Bezirk. Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz schließt eine Zusammenarbeit von CDU und AfD auf kommunaler Ebene nach eigenen Worten nicht mehr aus. „Wir sind doch selbstverständlich verpflichtet, demokratische Wahlen zu akzeptieren. Und wenn dort ein Landrat, ein Bürgermeister gewählt wird, der der AfD angehört, ist es selbstverständlich, dass man nach Wegen sucht, wie man dann in dieser Stadt weiter arbeiten kann“, sagte Merz im ZDF-Sommerinterview am Sonntag (23. Juli). Eine Beteiligung der AfD an einer CDU-Regierung schloss er zwar aus, aber: „Kommunalpolitik ist was anderes als Landespolitik oder Bundespolitik“, so Merz, der die Aussage zwar später relativierte, aber so hatte er sie nun einmal getätigt.

Seitdem wird Merz massiv kritisiert – auch von Christdemokraten. Christian Gräff, der CDU-Chef von Biesdorf, fand besonders deutliche Worte: Merz sei „nicht als Kanzlerkandidat der Union geeignet“, sagte er dem Tagesspiegel. „Für mich ist Friedrich Merz eine fast schon tragische Figur. Er hat, bei allen Talenten, leider oft kein Gespür für die richtigen Themen, schon gar nicht den richtigen Zeitpunkt.“ Gräff zog im Februar 2023 erneut direkt für seinen Biesdorfer Wahlkreis in das Berliner Abgeordnetenhaus ein.

Für „hochproblematisch“ hält Johannes Martin (CDU) die Äußerungen seines Parteichefs Merz. Martin ist Fraktionsvorsitzender der CDU in der Bezirksverordnetenversammlung Marzahn-Hellersdorf (BVV). Für ihn ist klar: Es kann keine Kooperation mit der AfD geben. „Die Frage ist doch: Hat mein Gegenüber das gleiche Verständnis von Politik und Demokratie wie ich?“ Bei den Bezirksverordneten der AfD in Marzahn-Hellersdorf sehe er diese Grundlage nicht gegeben.

„Es wäre kreuzgefährlich, auch nur einen Kandidaten der AfD für harmlos zu halten“, sagt Björn Tielebein, Fraktionsvorsitzender der Linken in der BVV. Er erinnert an die ehemalige Richterin Birgit Malsack-Winkelmann (AfD), die derzeit in Untersuchungshaft sitzt, weil sie mit Reichsbürgern einen Putschversuch geplant haben soll. Die mutmaßliche Rechtsterroristin war 2021 von der AfD als Bezirksstadträtin in Marzahn-Hellersdorf vorgesehen.

Tielebein wirft der CDU-Fraktion allerdings vor, ihre Anliegen auch mit Stimmen der AfD in der BVV durchzubringen. Absprachen würden zwischen CDU und AfD nicht getroffen, daran gebe es keinen Zweifel. Aber das sei auch gar nicht nötig: Bei gewissen Themen wisse man ja, wie die AfD abstimmen werde, so Tielebein.

„So ein Vorwurf trifft“, sagt CDU-Fraktionschef Martin. Man würde nicht taktieren, bloß nicht von seiner eigenen Position abweichen, bloß weil auch die AfD dafür stimmt. „Ich finde solche Vorwürfe besorgniserregend, weil sie die Debatte unterbinden“, sagt er. Christian Gräff spricht von „Zufallsmehrheiten“, die sich in einer BVV nun einmal nicht verhindern lassen.

AfD und CDU haben rechnerisch eine Mehrheit in der BVV. Die CDU ist mit 19 Sitzen die stärkste Partei in der BVV, gefolgt von der AfD mit 12 von insgesamt 55 Sitzen. Die SPD stellt zehn Bezirksverordnete, die Linke neun, die Grünen haben drei Sitze in der BVV und die Tierschutzpartei zwei.

Auch die Grünen in der BVV teilen die Kritik der Linken am Abstimmungsverhalten der CDU-Fraktion. „Die Ablehnungsmehrheit wird von der CDU genutzt“, sagt die Fraktionsvorsitzende Chantal Münster. Als konkretes Beispiel nannte sie eine Abstimmung in der letzten BVV im Juni vor der Sommerpause. Hier sei ein Antrag für sichere Kreuzungen für Radfahrer abgelehnt worden mit Stimmen der CDU und der AfD. Problematisch finde sie auch, dass CDU-Verordnete bei manchen AfD-Kandidaten, zum Beispiel bei Bürgerdeputierten, nicht klar gegen die AfD stimmten, sondern sich enthielten.

„Es ist ein kompliziertes Thema“, sagt der SPD-Fraktionsvorsitzende Günther Krug. Die Gefahr durch die AfD müsse man „benennen und sehen“ – „und ich gehe auch davon aus, dass die CDU dies sieht“, so Krug. Das Abstimmungsverhalten der CDU sehe man aber auch in seiner Fraktion kritisch. Aber eine Kooperation zwischen CDU und AfD im Bezirk sei auch aus seiner Sicht nicht zu befürchten. „Eine aktive Absprache mit der AfD würde ich der CDU bei uns aber niemals unterstellen“, betont auch die Grüne Münster. Auch was das Abstimmungsverhalten angehe sei man mit der CDU-Fraktion im Gespräch.