Kiezgespräch

Veröffentlicht am 31.10.2023 von Dominik Lenze

Wer wählt wie mit der AfD und warum? Die CDU in Marzahn-Hellersdorf hat einen umstrittenen Antrag mit Stimmen der AfD durchs Bezirksparlament gebracht. Erst vor wenigen Wochen haben CDU-Vertreter in scharfen Worten kritisiert, dass SPD, Linke und Grüne im Stadtentwicklungsausschuss einen CDU-Antrag mit AfD-Stimmen abgelehnt haben. Der Abgeordnete Christian Gräff sprach von einem „Dammbruch“, CDU-Fraktionschef Johannes Martin von einem „Novum“. Die CDU hat keine alleinige Mehrheit im Bezirksparlament. Auch Linke, Grüne und SPD haben keine gemeinsame Mehrheit. Wer unter welchen Umständen mit der AfD abstimmt, sorgt immer wieder für Debatten.

Thema des jüngsten CDU-Antrags war der Umgang mit Straßen, die nach Antisemiten benannt sind. Hintergrund ist eine vor zwei Jahren erstellte Studie zu Platz- und Straßennamen mit antisemitischen Bezügen in Berlin.

In Marzahn-Hellersdorf wurden 16 fragwürdige Straßennamen identifiziert. Der CDU-Antrag sah vor, “die Erkenntnisse des Dossiers (…) durch weitergehende Informationen statt Umbenennungen” umzusetzen. Dies geschehe, um “eine kritische Auseinandersetzung mit den Biografien der Personen zu ermöglichen, statt eine Auseinandersetzung (…) aus dem öffentlichen Raum zu verbannen”.

In Einzelfällen sind auch Linke, Grüne und SPD für Informationen statt Umbenennung. Das betrifft zum Beispiel die Roedernstraße in Mahlsdorf: Der namensgebende SS-Ehrenführer Siegfried von Roedern (1870–1954) soll auch rassistisch Verfolgte geschützt haben.

Aus Sicht von Linken und Grünen schließe der CDU-Antrag Straßenumbenennungen generell aus. CDU-Fraktionschef Johannes Martin erklärt auf Tagesspiegel-Nachfrage: “Wir schließen Straßenumbenennungen insgesamt nicht aus.” Der Antrag beziehe sich nur auf die Roedernstraße und eine weitere. Dass die AfD dem Antrag zustimmen werde, so Martin, habe man nicht erwartet, sondern auf Stimmen von SPD, Linken und Grünen gehofft.

Wirklich zufrieden mit dieser Situation ist offenbar niemand – das zeigt auch die anhaltende gegenseitige Kritik für das jeweilige Abstimmungsverhalten. Es sei kaum mehr möglich, Kompromisse unter den demokratischen Parteien zu finden, beschweren sich Vertreter aller Parteien – abgesehen von der AfD.

Besonders Linke und CDU werfen sich gegenseitig mangelnde Gesprächsbereitschaft vor: „Es kann keine Lösung sein, nur mit dem Finger auf andere zu zeigen“, sagt Linken-Fraktionschef Bjoern Tielebein. Es könne aber auch nicht sein, dass man nur das machen kann, was die CDU für richtig hält, ergänzt er. Mit den Christdemokraten habe man bei strittigen Themen stets den Dialog gesucht, aus Tielebeins Sicht vergebens. „Die mangelnde Gesprächsbereitschaft sehe ich nicht auf unserer Seite“, entgegnet CDU-Fraktionschef Martin. „Meine Einschätzung ist, dass alle die Bereitschaft verloren haben, die Extrameile zu gehen, einen Konsens im demokratischen Lager zu schaffen“, so Martin. Wobei: mit SPD und Grünen, meint Martin, sei man da schon weiter als mit der Linken.