Ingo Salmens Tipp für Sie

Veröffentlicht am 09.02.2021

Bitterkalt ist es in diesen Tagen – und soll es auch noch eine Weile bleiben. Bis minus zwölf Grad in der Nacht. Und gefühlt noch fieser. Bibbern müssen wir alle, wenn wir vor die Tür gehen. Aber nicht jede:r kann sich oder die Kinder warm genug einpacken, denn oft fehlt das Geld und im Augenblick auch die Gelegenheit, neue Klamotten zu kaufen, wenn die alten zerschlissen oder dem Kind zu klein geworden sind – und manche Leute haben nicht einmal ein Zuhause, in das sie sich zurückziehen könnten.

Wo gibt es Hilfe gegen die Kälte? Das ist nicht so leicht, weil der Frost mit dem Lockdown zusammenfällt. Geschlossen ist aktuell zum Beispiel die bezirkliche Annahme- und Ausgabestelle für Spenden in Trägerschaft der Jahresringe-Gesellschaft für Arbeit und Bildung im Pritzhagener Weg 17 in Marzahn. „Das Lager ist voll“, sagt Mitarbeiterin Anneliese Ursof am Montag am Telefon. Allerdings habe es bisher auch noch keine verstärkte Nachfrage wegen der Witterung gegeben. Es gebe hingegen jeden Tag Anrufe von Leuten, die etwas spenden möchten. „Aber die müssen wir alle vertrösten.“

Einen Kompromiss hat das Bunte Haus in der Hellersdorfer Promenade 14 gefunden. Die Kleiderstube ist ebenfalls nicht regulär geöffnet, wie Martin Kleinfelder vom Träger Roter Baum mitteilt. Allerdings steht montags bis freitags von 10 bis 17 Uhr eine „Spendenbank“ vor dem Haus, auf der vor allem Wintersachen zum Mitnehmen deponiert sind, wie Kleinfelder berichtet. Wer darüber hinaus Spezielleres suche, der könne am Haus klingeln.

Das sollten auch Leute tun, die Kleidung spenden wollen. „Wintersachen, vor allem für Kinder, aber auch Schlafsäcke sind das, was vor allem gefragt ist und wo Spenden besonders benötigt werden“, schreibt Kleinfelder. „Die Ab- und Ausgabe erfolgt an der Tür. Eine Alltagsmaske oder eine medizinische Maske sind dabei zu tragen.“ Bedürftige können sich auch noch medizinische Masken aus der Lieferung des Landes abholen, die weiterhin vorhanden sind.

Auch die Kleiderkammer des Deutschen Roten Kreuzes Nordost in der Marzahner Sella-Hasse-Straße 19/21 verkündet noch am Montagmittag: „Im Zuge des Lockdowns haben wir bis mindestens 14.02.2021 geschlossen.“ Auf Nachfrage teilt DRK-Geschäftsführerin Kati Avci jedoch mit, bei Bedarf schließe sie die Kammer auf. Zwar habe es noch keine Anrufe gegeben, aber doch Anfragen des Sozialamts oder aus der Flüchtlingshilfe.

Am späten Abend dann die überraschende Nachricht. „Während unseres Telefonates wurde ich nachdenklich“, schreibt Avci. Das Rote Kreuz wolle natürlich den Menschen helfen, die in der frostigen Zeit warme Sachen brauchen. Deshalb werde die Kleiderkammer ab diesem Mittwoch wieder geöffnet sein – und zwar zu folgenden Terminen: Mittwoch, 10. Februar, von 10 bis 14 Uhr, Donnerstag, 11. Februar, von 9 bis 14 Uhr, sowie kommende Woche Montag bis Donnerstag, 14. bis 17. Februar, jeweils von 9 bis 14 Uhr. Spontan erklärten sich am Montagabend zwei ehrenamtliche Helferinnen zum Einsatz für die gute Sache bereit. Es gebe ein „sehr gutes Hygienekonzept“ und FFP2-Masken seien Pflicht.

Auch für Obdachlose ist das Rote Kreuz unterwegs. Jeden Abend zwischen 18 Uhr und Mitternacht ist der Wärmebus im Einsatz. Die Koordination hat der Landesverband übernommen, vier Kreisverbände beteiligen sich, die Zahl der Fahrzeuge wurde am Montagabend auf zehn aufgestockt, berichtet Avci. Allein der Kreisverband Nordost setzt im Laufe der Woche rund 15 Ehrenamtliche ein, die Obdachlosen Schlafsäcke, Isomatten, Decken und warme Kleidung bringen – und sie auch zur Notunterkunft fahren, wenn sie das wünschen. Am Sonntagabend, als sie selbst mitgefahren ist (hier ein Video), seien das sieben Leute gewesen, berichtet die DRK-Geschäftsführerin. „Die meisten wollen nicht in eine Unterkunft.“ Warmer Tee, um die Thermoskanne wieder aufzufüllen, sei schon eher willkommen gewesen. Nur Suppe sei nicht so gefragt. 250 Anrufe habe es allein am Sonntagabend gegeben.

Wer Obdachlose antrifft, die Hilfe brauchen und wollen, kann den Wärmebus unter Tel. 030/6003001010 erreichen. Von 20.30 bis 2.30 Uhr lässt sich außerdem der Kältebus der Berliner Stadtmission unter Tel. 0178/5235838 rufen. Weitere Informationen gibt es auf der gemeinsamen Website der Berliner Kältehilfe.

Eine einzigartige Aktion hat zudem ein Mahlsdorfer Student gestartet. Rund 200 Jacken, jede Menge Mützen und weitere Kleidung, dazu Schlafsäcke und Hygieneartikel hat der 19-jährige Laurenz Terl gesammelt, seit er im November bei Instagram einen Aufruf gestartet hatte, Obdachlosen in Marzahn-Hellersdorf zu helfen. Etwa ein Dutzend leben hier auf der Straße, weshalb Terl inzwischen auch Notunterkünfte und Frauenhäuser mit warmen Sachen versorgt – bis Neukölln, Kreuzberg und Mitte. Dabei ist er nicht allein: Knapp 50 Helfer:innen haben sich in dezentralen Teams zusammengefunden, auch am Dienstagabend ist Terl wieder mit einem Dutzend Leuten unterwegs, unterstützt von der Spielplatzinitiative Marzahn-Hellersdorf, die den Transport der Spenden organisiert. Nicht zuletzt Unterwäsche werde stark nachgefragt.

„Das Problem kennt keine Grenzen“, sagt Terl, der Obdachlosigkeit als Teil des Straßenbildes von klein auf kennt. „Ich lebe mein ganzes Leben in Berlin, da ging mir die Obdachlosigkeit sehr nahe, weil man die Leute immer sieht.“ Wahrscheinlich würden wieder Menschen an der Kälte sterben – und das will Terl nicht einfach so hinnehmen. „Ich will Leute anregen, selbst etwas zu tun.“ Hat sich sein Blick auf Obdachlosigkeit verändert? „Bei dem Thema fühle ich mich hilflos und habe nicht so richtig die Idee, was der Staat machen sollte – da muss sich die Zivilgesellschaft einbringen“, sagt Terl. „Wir sind halt extrem überfordert – und das geht dem Kältebus nicht anders.“

Sachspenden nimmt Terl keine mehr an, er muss sich bald wieder seinem Jura-Studium in Frankfurt (Oder) zuwenden – in zwei Wochen beginnen die Erstsemester-Prüfungen. „Die Teams werden sich dann für die Verteilung selbst organisieren“, sagt Terl. Er stellt allerdings die Gründung eines Kältehilfe-Vereins für Marzahn-Hellersdorf in Aussicht. Wer jetzt bereits Geldspenden überweisen will, kann diese an den Verein Kudepo richten, die Kurzform für Hellersdorfer Zentrum für Kultur, Demokratie und Politik. Das Konto ist bei der Berliner Volksbank, IBAN DE46100900002615391002, Verwendungszweck „Kältehilfe“. Die noch übrig gebliebene Kleidung hat er im Wahlkreisbüro des Linken-Abgeordneten Kristian Ronneburg deponiert. Terl selbst kandidiert für die BVV, doch er betont, die Aktion sei überparteilich. Wer noch warme Kleidung benötigt, kann sich unter Tel. 0176/77212140 an Ronneburgs Büro am Cecilienplatz 5 wenden.

Eine Anlaufstelle für Hilfsangebote in der Kältezeit, wenn auch nicht die Ausgabe von Kleidung, sind auch die Stadtteilzentren. Darauf weist Sozialstadträtin Juliane Witt (Linke) hin. Eine Übersicht mit den Adressen finden Sie auf: berlin.de