Nachbarschaft
Veröffentlicht am 08.05.2018 von Ingo Salmen

Die Berlin Bullets, 1992 der erste und bis heute der einzige American-Football-Klub im Osten Berlins, belegten bei der Umfrage nach dem beliebtesten Sportverein unserer Leser den zweiten Platz. David Heinzinger stellt uns im Interview Sport und Klub näher vor. Der 27-Jährige ist Linebacker bei der Männermannschaft, Spieler und Trainer bei den Senior Flags sowie Trainer der neuen B-Jugend des Vereins, die am Sonntag ihr erstes Spiel bestritt – und gleich Lehrgeld zahlte: mit einem 0:40 gegen die Eberswalder Warriors. Heinzinger wohnt in Hellersdorf direkt an der Wuhle und arbeitet als Erzieher in der Nachmittagsbetreuung einer Friedrichshainer Grundschule.
Herr Heinzinger, sind Sie ein aggressiver Mensch? Nein, gar nicht. Ich bin total ausgeglichen.
Warum sind Sie dann beim American Football gelandet? Ich habe als Kind vorher Karate gemacht, aber das hat mir als Einzelsportart gar nicht zugesagt. Eine Freundin meiner Mutter erzählte dann von ihrem Sohn, der bei den Bullets Flag Football spielte. Da bin ich dann mal mitgegangen und gleich geblieben. 2001 war das, mit zehn Jahren.
Was ist Flag Football? Das ist sozusagen der kleine Bruder vom American Football, eine Variante ohne Körperkontakt. Stattdessen haben die Spieler ein Fähnchen an der Hüfte. Wenn man das zieht, ist es ein Tackle. Blocken darf man nicht. Aber es macht trotzdem Spaß.
Als Linebacker gehören Sie zur Verteidigung. Kommt es da nicht auch auf Aggressivität an? Wenn man jemanden umhauen will, muss man schon aggressiv sein. Aber vor allem braucht man Selbstdisziplin. Man muss den Willen haben, jemanden zu dominieren. Als Linebacker ist es meine Aufgabe, den Ball zu stoppen. Da stehen erst mal fünf Typen der Offensive Line vor mir – und ich muss durch zum Ballträger, dem Quarterback oder dem Runningback, wenn es ein Laufspielzug ist.
Wenn man sonst nichts mit American Football am Hut hat und sich dann mal den Super Bowl ansieht, zieht sich das unglaublich in die Länge. Was macht für Sie die Faszination aus? Der Spielfluss ist für Deutsche natürlich vollkommen ungewohnt. Und beim Super Bowl ist das noch extremer. Da richtet sich nicht das Fernsehen nach dem Spiel, sondern das Spiel nach dem Fernsehen. Mit „Commercial Breaks“ dauert das dann bis zu vier Stunden. Bei uns sind es eher zweieinhalb. Die Faszination ist für mich das Taktische, das gibt es so einzeln und als Team in keiner anderen Sportart. Als Linebacker muss ich auch lesen können, was der Quarterback vorhat.
Profitieren Sie davon, dass Sie auch noch Trainer sind? Natürlich hat das mein Verständnis noch einmal vergrößert, als ich 2015 meinen Schein gemacht habe. Aber vor allem möchte ich etwas weitergeben. Ich bin selber in diesem Verein großgeworden. Die Bullets haben mir sehr viel gegeben. Das ist meine Familie.
Hand aufs Herz: American oder Flag Football – was ist Ihnen lieber? American Football! Das Physische gehört einfach dazu. So lange ich Tackle-Football spielen kann, möchte ich auch noch weitermachen. Ein paar Leute bei uns sind sogar schon 40.
Wer soll hier als nächstes vorgestellt werden? Sie selbst? Jemand, den Sie kennen? Wir freuen uns auf Ihre Vorschläge unter: leute-i.salmen@tagesspiegel.de