Nachbarschaft
Veröffentlicht am 22.01.2019 von Ingo Salmen
Johanna Lott, 24 Jahre, studiert an der Alice-Salomon-Hochschule im sechsten Semester Erziehung und Bildung im Kindesalter. Die Kaulsdorferin bringt Kita-Kindern die Demokratie näher.
Um ihren Bachelor-Abschluss machen zu können, trat Lott im September ein dreimonaties Forschungspraktikum im Stadtteilzentrum Kompass in Hellersdorf-Süd an. Dessen Leiterin Isabell Springmann hatte das Thema Bürgerhaushalt ins Spiel gebracht. Die Idee war geboren: Im Pilotprojekt „Kinderwünsche“ wollte Lott Kita-Kinder über den Bürgerhaushalt mitentscheiden lassen. „Ich musste feststellen, dass sich keine Kita in Hellersdorf mit dem Bürgerhaushalt beschäftigt hat“, berichtet die Studentin jedoch aus einer Umfrage. „Viele kannten den gar nicht.“ Also ran an die Basisarbeit: Mit sieben Kindern im Vorschulalter aus der (noch namenlosen, da fusionierten) Tageseinrichtung im Montessorihaus durchstreifte sie den Stadtteil und sammelte Verbesserungsvorschläge.
Bald stand eine beachtliche Liste: Die Kinder wünschten sich mehr Schaukeln für Spielplätze, günstige Ticketpreise für die Seilbahn, weil ihre Eltern sich die Fahrt mit ihnen oft nicht leisten können, einen Wasserspielplatz auf dem Clara-Zetkin-Platz oder wenigstens einen Umbau des bisher nur dekorativen Brunnens zur Planschmöglichkeit, einen Spielzeugladen im Spreecenter und die Beseitigung von Müll auf öffentlichen Wegen und Plätzen. Letzteres gab Lott gleich ans Ordnungsamt weiter. Die anderen Wünsche überreichte sie dem Vorsitzenden des Jugendhilfeausschusses, Steffen Ostehr (Linke). Die Vorschlagsphase für den Bürgerhaushalt war zu diesem Zeitpunkt nämlich schon beendet. Doch die Politik befasst sich trotzdem mit den Anliegen: Am Mittwoch stellt Lott die Liste im Ausschuss vor. Einen Wunsch hat sich die Linksfraktion schon zu eigen gemacht: In einem BVV-Antrag fordert sie eine Aufwertung der Bibliothek am Cecilienplatz. Die Studentin musste ihren Leuten derweil Geduld beibringen: „Kleine Kinder erwarten immer, dass sofort etwas passiert.“
Das Projekt ist zu Ende, die Arbeit jedoch nicht. Lott hat mit den Kindern auch die Vorschläge aus dem Bürgerhaushalt diskutiert, die ihren Stadtteil betreffen. Vor einigen Tagen hat jedes Kind bereits im Kompass via Computer und Tablet online abgestimmt. „Die Kinder kennen sich mit Tablets schon aus, man muss es ihnen nur vorlesen“, sagt Lott. An diesem Dienstag, 22. Januar, wollen die Kleinen um 16.30 Uhr im Stadtteilzentrum am Kummerower Ring 42 bei den Erwachsenen für ihre Favoriten werben. Das wünscht sich Lott vom gesamten Projekt Bürgerhaushalt: künftig früher die Werbetrommel zu rühren und auch Kitas explizit darüber zu informieren, damit genug Zeit bleibt, um Vorschläge zu erarbeiten. Vielen sei nicht bewusst, dass es offiziell kein Mindestalter für das Projekt gebe. „Der Bürgerhaushalt ist für alle da“, sagt Lott. „Nicht erst ab der Grundschule.“
Foto: Herbert Großmann
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