Nachbarschaft
Veröffentlicht am 05.03.2019 von Ingo Salmen
Die Seilbahn am Kienberg soll bleiben. Dazu hat sich der Berliner Senat vergangene Woche im neuen Nahverkehrsplan jetzt auch offiziell bekannt. Die Frage ist nur: wie? Bis 2023 soll geprüft werden, ob eine Einbindung in den öffentlichen Nahverkehr möglich ist. Die Senatsverwaltung für Verkehr hatte das bisher immer abgelehnt – und auf Tourismusgelder verwiesen. Ihr Argument: Es gebe keinen verkehrlichen, sondern nur einen touristischen Nutzen. Fest steht so oder so: Eine Seilbahn in öffentlicher Hand wäre ein Zuschussbetrieb auf Steuerkosten. Was sagt der Betreiber zu den neuen Entwicklungen? Seilbahn-Geschäftsführer Michael Tanzer von der Firma Leitner trat am vergangenen Mittwoch auf dem Mittelstandskongress der Berliner CDU auf. Am Rande der Veranstaltung traf sich unser Redakteur Robert Kiesel mit ihm zum Interview.
Herr Tanzer, nachdem der Senat eine Aufnahme Ihrer Seilbahn in das ÖPNV-System zunächst abgelehnt hatte, will er es jetzt zumindest prüfen. Ein Erfolg? Die Entscheidung des Senats macht uns Mut, keine Frage. Gleichzeitig kann ich verstehen, dass es da Unsicherheiten gibt, schließlich ist die Seilbahn ein ganz neues, ganz anderes Verkehrsmittel. Das braucht Zeit.
Um das Kriterium der „verkehrlichen Erschließung von Quartieren“ zu erfüllen, ist eine Erweiterung der Seilbahn in Marzahn-Hellersdorf denkbar. Gibt es Pläne dafür? Konkrete Überlegungen gibt es keine, Gedanken im Bezirk aber sehr wohl. Eine Verlängerung der Strecke in Richtung Marzahn würde sicher Sinn machen, weil sie dann noch leichter erreichbar wäre. Wir stehen jederzeit zur Verfügung, das Projekt weiterzuentwickeln.
Wie hoch ist die Auslastung der Seilbahn in Marzahn-Hellersdorf im Moment? Das System kann bis zu 6000 Personen in der Stunde transportieren, was während der Internationalen Gartenausstellung 2017 auch bitter nötig war. Nach der IGA sind die Beförderungszahlen relativ stark gesunken. Am vorletzten Wochenende hatten wir aber schon wieder über 12.000 Fahrten gehabt, obwohl der Gartenbetrieb noch eingeschränkt ist. Damit sind wir zufrieden.
Wann arbeitet eine Seilbahn wirtschaftlich? Entscheidend sind nicht allein die Fahrgastzahlen, entscheidend sind auch die Ticketpreise. Ob sich eine Seilbahn rentiert, hängt stark von der Frequenz ab. Mit über 3,5 Millionen Fahrten bei der IGA hat das sehr gut funktioniert, im vergangenen Jahr sah es etwas anders aus.
Ist der Weiterbetrieb in Gefahr? Ich denke, dass die Integration der Seilbahn in den ÖPNV ein wünschenswertes und sehr sinnvolles Ziel wäre. Wenn die Nutzung der Bahn mit einem BVG-Ticket verknüpft wäre, wird die Frequenz dementsprechend in die Höhe gehen.
Und wenn nicht? Mit dem Status Quo wird man an die Grenzen der Wirtschaftlichkeit stoßen. Wenn man die Seilbahn mit dem ÖPNV oder anderen Verbünden verknüpft, kann es nur besser werden. Unser Ziel ist, den bestehenden Vertrag über den Betrieb der Seilbahn bis 2033 zu erfüllen. Einen vertraglich möglichen Ausstieg zum Ende des Jahres 2020 streben wir nicht an.
Abseits von Marzahn-Hellersdorf: Wo sehen Sie Potenzial für weitere Seilbahn-Strecken? Die Seilbahn kann keine U-Bahn ersetzen, das ist klar. Aber sie kann Zubringer- und Verteilerdienste übernehmen, die Menschen zur S- oder U-Bahn bringen. Direkt in der City wird es schwierig, da ist das Netz zu gut ausgebaut. In Entwicklungsgebieten sind die Chancen größer. Zum Beispiel dort, wo neue Wohngebiete entstehen sollen.
Können Sie ein Beispiel nennen? Anfragen und Denkansätze gibt es an mehreren Stellen, wo neue Wohngebiete entstehen, die sind aber sicherlich noch nicht spruchreif. Klar ist: Eine Seilbahn kann Wohnsiedlungen einen modernen und sauberen Touch geben. Mehrere Wohnungsbaugesellschaften haben sich bereits bei uns informiert.
Schließt der Flughafen Tegel, könnten dort tausende Wohnungen entstehen. Ein denkbarer Einsatzort? In Tegel gab es vor Jahren eine Überprüfung, im Ergebnis würde sich eine Seilbahn dort technisch sehr gut eignen und wäre machbar. Zunächst aber müssen wir schauen, was dort wirklich entsteht und wie viele Menschen dort später einmal leben sollen.
Aber was machbar ist, würden Sie doch sicher gerne machen? Natürlich, gerne!
Wer soll hier als nächstes vorgestellt werden? Sie selbst? Jemand, den Sie kennen? Wir freuen uns auf Ihre Vorschläge unter: leute-i.salmen@tagesspiegel.de