Nachbarschaft

Veröffentlicht am 26.03.2019 von Ingo Salmen

Delia Friemel, 22 Jahre, wohnt in Schöneweide und hat im vergangenen Jahr mit ihrer Kamera Marzahn-Hellersdorf erkundet. Sie ist eine von 20 Studierenden der Ostkreuzschule für Fotografie, die zum 40-jährigen Bezirksjubiläum die Ausstellung „Fernwärme“ erstellt haben. Die vielen neuen Blicke auf Marzahn-Hellersdorf haben großen Anklang gefunden. Wer die Ausstellung im Schloss Biesdorf noch nicht gesehen hat, sollte sich beeilen: Am Freitag dieser Woche, 29. März, findet um 18 Uhr bereits die Finissage statt. schlossbiesdorf.de

Der demolierte Eingang einer Spielhalle, ein verlassener Wohnwagen, der zurückgelassene Elefant eines Kinderkarussells: Sie haben im Bezirk „Indizien“ gesammelt, die anregen, über die dazugehörigen Geschichten zu fantasieren. Haben Sie eine Lieblingsgeschichte? Für mich hat jedes Bild eine ganz eigene Magie. Der Wohnwagen wirkt besonders surreal durch den Kontrast des seltsamen Lichtes, das Grün und das Lila und die verlassene Umgebung erzeugen ein unheimliches Gefühl. Man fragt sich, was in dem Wohnwagen passiert, wer dort lebt und warum genau hier Halt gemacht wurde.

Wo sind Ihre Bilder in Marzahn-Hellersdorf entstanden? Die Bilder sind an ganz unterschiedlichen Orten entstanden, ich bin sehr viel durch den Bezirk gelaufen und habe verschiedenste Ecken erkundet. Mittlerweile kenn ich mich dort fast besser aus als überall sonst in Berlin. Oft hat es mich zu Industriegebieten oder verlassenen Häusern gezogen, da man an solchen Orten meist merkwürdige Begebenheiten vorfindet. Das Bild vom Wohnwagen ist auf dem Gut Hellersdorf entstanden, die Spielhalle gehört zu einem leerstehenden Einkaufszentrum am Springpfuhl.

Warum haben Sie sich für diese Motive entschieden? Ich habe großes Interesse daran gefunden, versteckte Ecken aufzuspüren und dorthin zu gehen, wo nicht viele Menschen sind. Mich haben die Geschichten fasziniert, die die Menschen überall hinterlassen. Man kann diese verborgenen Geschichten nur erahnen, Spuren und Hinweise regen die eigene Fantasie an. Diese Ungewissheit und Rätselhaftigkeit hat mich gefesselt.

Welchen Eindruck haben Sie von dem Bezirk während Ihrer Erkundungen gewonnen? Anfangs hatte ich verschiedene Ideen für konkrete Themen, habe mir viele Aspekte des Bezirks angesehen, aber ich kam immer wieder zurück zu meiner „Spurensuche“. Marzahn-Hellersdorf ist sehr groß und weitläufig, und obwohl ich wirklich viel Zeit dort verbracht habe, konnte ich fast jedes Mal neue Ecken entdecken. Es hat mich überrascht, dass man so surreale, fast filmische Orte finden kann. Diese Leere und die Weitläufigkeit machen den Bezirk für mich mysteriös.

Welche Rückmeldungen haben Sie von Besucherinnen und Besuchern der Ausstellung erhalten? Anfangs hatte ich Bedenken, dass man die Bilder und das Thema nicht sofort versteht. Die Besucher fanden aber gerade diese Rätselhaftigkeit interessant. Viele wollten wissen, wo genau die Bilder entstanden sind, manche haben die Orte erkannt. Diese Fremdheit im Vertrauten, diese geheimnisvollen „Filmszenen“ direkt in der Nachbarschaft, dafür habe ich positive Rückmeldungen bekommen.

Delia Friemel ist auch bei: instagram.com

Wer soll hier als nächstes vorgestellt werden? Sie selbst? Jemand, den Sie kennen? Wir freuen uns auf Ihre Vorschläge unter: leute-i.salmen@tagesspiegel.de