Nachbarschaft

Veröffentlicht am 11.02.2020 von Ingo Salmen

Mustapha El Ouartassy ist 29 Jahre alt und damit im besten Marathon-Alter. Das hat er im September bewiesen, als er beim Berlin-Marathon mit 2:14,02 Stunden die schnellste Zeit aller Läufer aus der Hauptstadt erzielte und Platz 26 in der Gesamtwertung belegte. „Der Marzahner Marokkaner“ titelte der Tagesspiegel damals, denn er trainiert bei Fortuna Marzahn. El Ouartassys Geschichte reicht über den Sport hinaus. Lange musste er um eine Aufenthaltsgenehmigung bangen, die er ebenfalls vergangenes Jahr bekam. Inzwischen ist er doppelt geehrt worden und blickt auf ein Jahr, von dem er sich neue Bestleistungen erhofft – und seine Einbürgerung. Er lebt derzeit von Start- und Preisgeldern und hat noch einen kleinen Job als Übungsleiter für Kinder bei seinem Verein. Wir haben mit ihm über seine Ziele für die neue Saison gesprochen.

Im Dezember wurden Sie mit dem Solidaritätspreis des Landessportbunds ausgezeichnet, im Januar zum Sportler des Jahres von Marzahn-Hellersdorf gekürt. Haben Sie den ganzen Winter eigentlich nur gefeiert? Ja, genau. Ich war sehr überrascht und habe mich sehr gefreut – aber natürlich habe ich auch trainiert. Ich bin kein Wintermensch, habe lieber 30 Grad im Sommer als minus zehn. Aber ich trainiere das ganze Jahr. Mein nächster Wettbewerb sollte der Halbmarathon am Sonntag in Barcelona werden. Den musste ich gerade absagen. Seit zwei Tagen habe ich Muskelprobleme am unteren Rücken. Der Arzt meinte, es ist nichts Schlimmes, aber ich muss eine Pause machen.

Wie muss ich mir das Wintertraining denn vorstellen? Genauso wie im Sommer. Ich trainiere zweimal am Tag, 13 Mal in der Woche. Nur samstagabends habe ich frei. Da laufe ich morgens immer 35 Kilometer – in Ahrensfelde, Neuenhagen oder auf dem Tempelhofer Feld. Da sind es sechs Runden, eine Runde sind sechs Kilometer. Ansonsten ist es nicht jeden Tag gleich, sondern immer etwas anders. Mein Trainer Hansi Stephan schickt mir jeden Sonntag den Trainingsplan für die Woche.

Wann beginnt denn die Marathonsaison? Die Vorbereitung läuft schon. Vor einem Wettkampf sind das immer zwölf bis 13 Wochen. Und mein nächster Marathon ist der Hannover-Marathon am 26. April. Vorher werden ich noch am 5. April den Berliner Halbmarathon laufen. Drei Wochen vorher ist das super. Die Deutschen Meisterschaften sind auch beim Hannover-Marathon. Bis dahin will ich ein Deutscher werden. Das liegt jetzt an der Einbürgerungsstelle Marzahn-Hellersdorf.

Rechnen Sie sich denn Chancen aus? Ich würde gern Deutscher Meister werden. Der erste oder zweite Platz sitzt drin. Beim Berlin-Marathon letztes Jahr bin ich 2:14,02 Stunden gelaufen, meine persönliche Bestleistung. Mein Ziel ist jetzt die Olympia-Norm: 2:11,30 Stunden. Dann würde ich auch gern nach Tokio fahren, wenn ich bis dahin Deutscher werde.

Geht das überhaupt so schnell? Den Antrag habe ich vor einem Monat gestellt, noch in Spandau. Aber seit zwei Monaten habe ich eine Wohnung in Marzahn und seit einer Woche bin ich da auch gemeldet. Die Einbürgerungsstelle in Spandau wollte die Unterlagen nach Marzahn schicken. Das kann natürlich alles dauern, aber ich denke, es wird klappen. Ich vertraue auf die Mitarbeiter in Marzahn-Hellersdorf. Die wollen gern helfen. – Text: Ingo Salmen
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