Nachbarschaft

Veröffentlicht am 07.04.2020 von Ingo Salmen

Joram Luttenberger, 52, hat vor einem Monat die Pfarrstelle an der Dorfkirche Marzahn angetreten und sieht sich gleich mit einer Ausnahmesituation konfrontiert. Die Coronakrise hat das Leben in der evangelischen Gemeinde komplett umgekrempelt – bis hin zum Fest der Auferstehung Jesu am Ende dieser Woche. 2300 Mitglieder zählt die Gemeinde, „dankenswerterweise“, wie Luttenberger sagt: Auch wenn nur ein Bruchteil die Zusammenkünfte besucht, lassen sich die Angebote von den Kindern bis zu den Senioren nur auf diese Weise finanzieren. Was bleibt noch, wenn Gottesdienste und Treffen ausfallen müssen? Darüber sprachen wir mit Pfarrer Luttenberger am Telefon.

Herr Pfarrer, wie feiert Ihre Gemeinde Ostern? Wir haben uns in Ergänzung der vielen Online-Angebote der Evangelischen Kirche in Deutschland, der Landeskirche, aber auch der Gemeinde Marzahn-Nord [die digitale Andachten anbietet, Anm. d. Red.] für das Angebot der offenen Kirche entschieden – damit die Leute, die keinen Zugang zum Internet haben, Gelegenheit zur Einkehr bekommen. In der Karwoche und an den Ostertagen öffnen wir die Kirche zu jenen Zeiten, an denen sonst Gottesdienste wären. Eine Handvoll Leute, vor allem Ältere, können sich dann zum Gebet einfinden. Der größte Einschnitt ist für viele der Karfreitag, an dem wir sonst einen Gottesdienst mit Abendmahl feiern – doch diese Gemeinschaft ist nun nicht möglich. Kirche sind immer die Menschen, die sich versammeln, nicht die Gebäude.

Wie hat sich das Gemeindeleben bis hierher schon verändert? Es ist still geworden. Der Seniorenkreis und das Gemeindecafé fallen aus. Diese Stille, die etwas Gutes haben kann, wird von vielen auch als Einsamkeit empfunden. Deshalb findet jetzt eine Notbetreuung statt – nicht nur im Kindergarten, sondern auch für die Senioren, denen wir Briefe schreiben. Ich selbst rufe manchmal Menschen an, aber auch die Mitarbeiter unseres Besuchsdienstes tun dies. Wir haben einfach etliche Gemeindemitglieder, die voneinander wissen und sich jetzt kümmern.

Den Dorfkindergarten haben Sie bereits angesprochen. Wie läuft dort der Betrieb? Ruhig und geordnet. Die Leitung hat einen Dienstplan entworfen, sodass immer mindestens zwei Erzieherinnen und die Hauswirtschafterin zur Notbetreuung da sind. Normalerweise besuchen 60 Kinder den Kindergarten, heute sind es drei, manchmal sind es auch neun bis zehn, je nachdem, welche Dienste zum Beispiel die Feuerwehrleute gerade haben.

Sie sind erst seit dem 1. März Pfarrer in Marzahn, haben Sie die Gemeinde überhaupt schon richtig kennengelernt? Natürlich nicht in dem Maße, wie es wünschenswert wäre, aber doch intensiver als gedacht. Ich wusste schon seit Dezember von dieser Stelle und habe die Gemeinde seitdem mehrfach besucht. Dass wir hier in der Diaspora leben, stärkt auch das gemeinschaftliche Gefühl für den Glauben. Wer in der DDR in dieser Region Christ war, hat sich ganz bewusst dazu bekannt.

Fotos: privat/Robert Klages

Wer soll hier als nächstes vorgestellt werden? Sie selbst? Jemand, den Sie kennen? Wir freuen uns auf Ihre Vorschläge unter: leute-i.salmen@tagesspiegel.de