Nachbarschaft
Veröffentlicht am 02.06.2020 von Ingo Salmen

Christine Thürmer, 53, ist gebürtige Fränkin und selbsternannte „meistgewanderte Frau der Welt“. Sie hat 49.000 Kilometer zu Fuß zurückgelegt und 30.000 mit dem Fahrrad. Früher wurde die Managerin angeheuert, um Unternehmen zu sanieren, doch 2007 gab sie ihren Beruf auf, erkundet seitdem die Welt und berichtet auf Vorträgen, in Talkshows oder in Büchern von ihren Erlebnissen. Wenn sie nicht gerade in der Weltgeschichte unterwegs ist, lebt Thürmer in einem Plattenbau in Marzahn. In der Szene wird sie auch „The German Tourist“ genannt.
Einer der meistgewanderten Tagesspiegel-Mitarbeiter, mein Kollege Marius Buhl, wollte von Thürmer wissen, ob ihr nicht was fehlt, wenn sie aus der weiten Welt in die Platte zurückkehrt – und das hat sie natürlich sofort von sich gewiesen. Ein halbes Jahr sei sie unterwegs, die andere Hälfte verbringe sie dann in Berlin mit dem Schreiben ihrer Bücher, erzählte sie. „Das ist für mich dann wie Urlaub.“ Zivilisation als Segen und Erholung, Discounter vor der Tür, Wohnung mit Dusche und Küche statt Übernachtung im Zelt. Und noch ein Argument: „Marzahn ist günstig, die Wohnung hier kann ich finanzieren, während ich unterwegs bin.“
Über die Alpen und den Balkan wollte sie in diesem Jahr eigentlich nach Griechenland aufbrechen, doch die Coronakrise durchkreuzte Thürmers Pläne. Jetzt hat sie umdisponiert. „Ich will übers Baltikum oder Schweden nach Finnland“, erzählte Thürmer. „Im Norden sind die Bestimmungen etwas liberaler.“ Am Sonntag ist sie aufgebrochen, 4000 Kilometer vor sich. Gar kein Fan ist sie übrigens von Routen wie dem Jakobsweg, denn die seien „leider oft Schrott“. Mittelalterliche Pilger hätten nun mal nicht die schönste, sondern die schnellste Route mit vielen Siedlungen entlang der Strecke ausgewählt – wo später dann Autobahnen und Eisenbahnstrecken entstanden.
Thürmer bezeichnet sich selbst als unsportlich – „Plattfüße, X-Beine, fünf Kilo Übergewicht“ – und weiß zu berichten, dass Männer eher aufgeben als Frauen. Außerdem empfiehlt sie, auf Unterhosen und Klopapier im Gepäck zu verzichten, und erzählt, wie der Schlaganfall eines engen Freundes sie zu ihrer neuen Berufung führte. Dieses facettenreiche Interview mit der Wander-Queen von Marzahn kann ich Ihnen sehr ans Herz legen, Sie finden es online hier. – Foto: Peter von Felbert/Piper Verlag, Text: Ingo Salmen
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Dieser Text erschien im Tagesspiegel für Marzahn-Hellersdorf. Den gibt es als Newsletter kostenlos und in voller Länge unter leute.tagesspiegel.de
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