Nachbarschaft

Veröffentlicht am 28.07.2020 von Ingo Salmen

Steve Gildemeister, 34, aus Mitte ist studierter Wirtschaftspsychologe und selbstständiger Coach, der sich auf Gedächtnistraining und Schachunterricht spezialisiert hat.

In mehreren Marzahner Grundschulen hat Gildemeister im vergangenen Schuljahr Nachmittagskurse im Gedächtnistraining angeboten – und ist von den Leistungen der Kinder begeistert. „Beim Gedächtnistraining stechen die Kinder besonders heraus, auch im Vergleich zu anderen Bezirken“, erzählt Gildemeister. Warum? „Das kann ich auch als Wirtschaftspsychologe nicht sagen.“ Die Motivation bei den Marzahner Kindern sei sehr groß, hat der Trainer festgestellt, das soziale Miteinander ebenso. „Die können sich total begeistern.“ Dieser Eindruck schlug sich auch in Ergebnissen nieder: Im Dezember machte Gildemeister einen Test mit Zahlen und historischen Fakten. „Die Marzahner haben gut abgeschnitten“, erzählt er. Alle Kinder hätten sich mindestens 20 Pi-Nachkommastellen merken können – deutlich mehr als Kinder einer Vergleichsgruppe, die nicht seit August einmal die Woche 45 Minuten lang mit ihm trainiert hatte.

„Es basiert grundsätzlich darauf, dass man sich Eselsbrücken baut“, erklärt Gildemeister das Prinzip des Gedächtnistrainings. Daran sind verschiedene Techniken angelehnt, die immer mit Geschichten zu tun haben: Das, was man sich merken muss, wird zum Beispiel mit den eigenen Körperteilen in Verbindung gebracht, die man nach und nach durchgeht, oder man stellt sich einen Spaziergang durch einen Zoo vor. Die sinnliche Vorstellung wird dadurch angeregt, wie Gildemeister erläutert. „Man macht einen mentalen Spaziergang, der viele Teile des Gehirns benutzt“, sagt der Trainer. „Man wird viel aufnahmefähiger und kann das Wissen gezielt abrufen, es ist besser strukturiert.“ Wo hilft das – abgesehen vom Einkaufszettel und „Ich packe meinen Koffer“? „Das hilft auch in Prüfungssituationen“, sagt Gildemeister. „Man hat keinen Lernstress mehr und keine Prüfungsängste.“

Gildemeister benutzt die Techniken auch im Sport. Er ist Schachspieler und kann sich damit die Stellungen und Züge bei komplizierten Eröffnungen merken – und sie Kindern leichter beibringen. Auch das verbindet ihn mit Marzahn. Vergangenen Herbst suchte Gildemeister mit Freunden eine Möglichkeit, gemeinsam Schach zu spielen, auch wenn das Wetter draußen ungemütlich ist. Bibliothekarin Renate Zimmermann stellte der Truppe einen Raum in der Mark-Twain-Bibliothek zur Verfügung – im Gegenzug können Marzahner Kinder vorbeikommen und sich kostenlos in Grundlagen und Kniffe des Schachspiels einführen lassen. An jedem letzten Sonnabend im Monat von 11 bis 13.30 Uhr. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich, könnte aber per Mail hilfreich sein, damit Gildemeister sich vorbereiten kann.

Seit Oktober besteht das Angebot, drei bis vier Kinder seien regelmäßig dabei, manchmal auch bis zu zehn, erzählt Gildemeister. Während der Zeit des Lockdowns musste natürlich auch der Schachtreff ausfallen. Im Juni und Juli konnten die Denksportfreunde wieder im Außenbereich der Bibliothek spielen. Gildemeister bietet berlinweit an Schulen Gedächtnistraining und Schach-AGs an. Für ihn ist nun die spannende Frage, wie es nach den Ferien weitergeht. – Text: Ingo Salmen
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