Nachbarschaft
Veröffentlicht am 13.10.2020 von Ingo Salmen
Marzahn-Hellersdorf hat seinen Favoriten für ein Kombibad gewählt. Marzahn-Hellersdorf – das ist in diesem Fall die Bezirksverordnetenversammlung, die am Donnerstag eine Prioritätenliste festlegte, mit der das Bezirksamt auf das Land und die Bäderbetriebe zugehen soll. Das Votum fiel eindeutig aus: 30 Verordnete stimmten bei der Sitzung in der Frauensporthalle für den Standort Jelena-Santic-Friedenspark, zwölf Verordnete stimmten für den Biesdorfer Friedhofsweg, zwei Verordnete enthielten sich. Aus diesem geheim eingeholten „Meinungsbild“ ergab sich eine Rangfolge, die die BVV am Ende einstimmig verabschiedete.
Trotz der klaren Entscheidung ging das Ganze nicht ohne eine gewisse Verstimmung über die Bühne. Denn als das Meinungsbild feststand, versuchte die SPD daraus Kapital zu schlagen. BVV-Vize Liane Ollech trat ans Mikro und legte die Vorzüge für den Friedenspark aus Sicht ihrer Fraktion dar, über die wir schon im vergangenen Newsletter berichtet hatten. Zudem wandte sie gegen den Standort in Biesdorf ein, mit einem Schwimmbad neben dem Friedhof könnten die Totenruhe gestört und christliche Gefühle berührt werden. Es sei auch eine Frage der Pietät. Bei Twitter triumphierte die SPD: „Unser Vorschlag hat sich durchgesetzt.“ In einer Pressemitteilung verkündeten die Sozialdemokraten, die BVV „folgt“ mit diesem Votum ihrem Vorschlag.
Von „Legendenbildung“ sprach daraufhin der Linken-Verordnete Steffen Ostehr bei Twitter, der Christdemokrat Robert Kovalev warf Ollech in der Sitzung eine einseitige Argumentation vor – sie solle doch auch bedenken, dass der Friedhofsweg als zweite Option immer noch zum Zuge kommen könnte, wenn im weiteren Verlauf des Verfahrens die Hürden bei Friedenspark zu hoch seien. Und Linken-Fraktionschef Bjoern Tielebein, zugleich Vorsitzender der fraktionsübergreifenden Arbeitsgruppe Freibad, merkte an, es sei nicht unsozial, sich für den Biesdorfer Friedhofsweg zu entscheiden, genauso wenig wie es ein Votum gegen den Umweltschutz sei, wenn man für den Friedenspark gestimmt habe. „Ich hoffe, dass wir auch bald baden gehen.“
Dass es innerhalb der Fraktionen widerstreitende Meinungen gab, machte die Einlassung des Linken-Verordneten Frank Beiersdorff deutlich. Im Hinblick auf den Landschaftsschutz erklärte er, das Wuhletal werde durch die Entscheidung für den Friedenspark „erheblich entwertet“. Er erwarte, dass beide Varianten im weiteren Verfahren gründlich geprüft würden. Und in Richtung Ollech sagte Beiersdorff. „Es geht ja nicht darum, den Friedhof zu bebauen.“ Die Grünen-Verordnete Cordula Streich dokumentierte ihre Zerrissenheit: Sie sei für ein Schwimmbad, doch es falle ihr schwer, wenn Natur versiegelt und zerstört werde. Dass es für beide Standorte Argumente und Gegenargumente gebe, gestand auch Sportstadtrat Gordon Lemm (SPD) ein, der der Schwimmbad-Debatte vor zweieinhalb Jahren neuen Schwung gegeben hatte. Er machte aber deutlich, dass das Planungsbüro Topos die Frage des Landschaftsschutzes nicht nur oberflächlich geprüft und „kein K.o.-Kriterium“ darin gesehen habe.“
Mit der Entscheidung der Bezirkspolitik ist indes nicht mehr als ein Wunschzettel beschlossen. Nun kommt es darauf an, ob das Bezirksamt Senat und Bäderbetriebe von einem Kombibad in Marzahn-Hellersdorf überzeugen kann – und trotz Coronakrise eine Zusicherung für eine Investition von rund 35 Millionen Euro bekommt.
Illustration: Topos-Stadtplanung Berlin
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