Nachbarschaft

Veröffentlicht am 25.07.2023 von Dominik Lenze

Mit 22 Jahren will man um die Welt reisen, klar: Fremde Länder kennenlernen, andere Lebensweisen und Orte, wo die Menschen vielleicht glücklicher sind als im oft dann doch sehr missmutigen Deutschland. Im Jahr 2003 hat sich Miriam Bastug auf den Weg gemacht und Nepal für sich entdeckt: “Für mich ist es eines der inspirierendsten Länder der Welt”. Heute hilft die 42-jährige Biesdorferin Kindern in dem Land: Über ihren Verein Schoolkids Kopan vermittelt sie Patenschaften und ermöglicht somit Kindern dort, zur Schule gehen zu können.

Sie erinnert sich noch, wie sie sich als junge Frau auf den Weg gemacht hat. “Es gibt ja manchmal so eine romantische Vorstellung von armen Ländern”, sagt Bastug. Von den Menschen in fernen Ländern, die trotz aller Entbehrungen lächeln können. “Die Realität ist aber nun einmal: Hinter diesem Lächeln steht oft existenzielle Not”, sagt sie. 

Nepal ist eines der ärmsten Länder der Welt. Rund 29 Millionen Menschen leben in dem Staat, laut dem Global Hunger Index 39 davon Prozent in Armut. Es sei aber auch eines der faszinierendsten Länder der Welt, mit dem Himalaya und den hinduistischen und buddhistischen Heiligtümern. “Aber wenn man die Augen nicht verschließt, dann sieht man die Armut”, sagt sie.

Ein Jahr nach ihrer ersten Reise brach sie ein zweites Mal nach Nepal auf. In Kathmandu lernte sie die Tibeterin Doma Yangki kennen, die Leiterin einer Schule in der Bergregion. Diese Schule, die Manjughoksha Academy richtete sich vor allen Dingen an Kindern in den Bergen. “Anders als in den Städten gibt es dort nur sehr wenige Schulen”, sagt Bastug. Auch sei das Leben dort sehr entbehrungsbereich: “Alles muss entweder von einem Menschen oder einem Esel dort hoch transportiert werden”, sagt sie. Dementsprechend überschaubar sei die Essensauswahl. Auch Strom und Heizung würde es dort oft nicht geben. “Damals hat es in die Schule noch hinein geregnet”, erinnert sich Bastug. Sie reist bis heute jedes Jahr einmal nach Nepal.

2007 hat sie das erste Patenkind an zwei Freunde vermitteln können. Unter Freunden hatte sich das Projekt rasch herumgesprochen. 2017 gründeten Bastug gemeinsam mit ihrer Freundin Linda Meier aus Frankfurt am Main den Verein Schooolkids Kopan. Inzwischen haben sie rund 120 Patenkinder an etwa 200 Paten vermitteln können. 

Die Schule in Nepal wirkt auch an der Vermittlung mit: Das Angebot sei in der Gegend bekannt, für das Patenprogramm gebe es sogar Wartelisten, so Bastug.

Es gab auch bittere Rückschläge: 2015 hat ein Erdbeben in dem Tal Langtang ein ganzes Dorf zerstört. Ein Patenkind habe dabei seine halbe Familie verloren. Dank eines Felsvorsprungs seien sie von der Lawine, die durch das Erdbeben ausgelöst worden ist, verschont geblieben. “Zwei Kinder aus dieser Familie studieren inzwischen”, berichtet Bastug. Eines der ersten Patenkinder des Vereins habe sogar ein Stipendium zum Studium an einer Universität in Australien erhalten. 

Der Vater der Familie wiederum helfe nun einem anderen Patenkind: Ein Junge, der in dem Patenprogramm ihres Vereins ist, leide an dem Alport-Syndrom, einer Erbkrankheit, die auch das Gehör beeinträchtigt. Um in der Schule überhaupt mitzukommen, brauche der Junge Nachhilfe. Der Vater der Familie aus Langtang unterstütze den Jungen und seine Familie in dieser schwierigen Zeit, berichtet Bastug. 

Die Faszination für Nepal, die Bastug als junge Frau auf ihrer ersten Reise empfunden hat, ist nicht weniger geworden, ganz im Gegenteil. Doch mit all dem Wissen über das Leben dort hat sich ihre Perspektive verändert: Der verklärte, romantische Blick, der nur das Lächeln der Leute sieht, aber nicht die Armut und die Entbehrungen dahinter, den kann und will sie sich nicht mehr erlauben. “Aber ich habe tiefen Respekt vor den Nepalesis, die trotz all dieser Entbehrungen immer wieder aufstehen”, sagt sie.