Nachbarschaft
Veröffentlicht am 19.03.2024 von Julia Schmitz
In genau einer Woche hat Dorothee Ifland ihren letzten Arbeitstag im Bezirksmuseum Marzahn-Hellersdorf: Noch einmal wird sie die Treppen zu ihrem Büro im Obergeschoss nehmen, noch einmal alles aufräumen, sortieren und verteilen. Und bestimmt reicht die Zeit auch noch für einen kleinen Kaffeeplausch mit ihrem Team. Denn zum Feierabend ist Schluss. Nach 32 Jahren geht Dorothee Ifland in den Ruhestand. „Was danach kommt, wird sich zeigen, ich lasse mich auf meinen neuen Lebensabschnitt ein“, sagt die 62-Jährige.
Komisch wird ihr das schon vorkommen. Schließlich stand ihre Arbeit seit Anfang der 1990er Jahre in der Öffentlichkeit. Rund 80 Ausstellungen hat sie seitdem zusammen mit ihren Mitarbeitern sowie freien Autoren, Historikern und Zeitzeugen auf die Beine gestellt. Außerdem Veranstaltungen und Führungen organisiert und Publikationen herausgebracht. Das war nicht nur wegen der personellen und finanziellen Rahmenbedingungen eine besondere Herausforderung, sondern vor allem eine Herzensangelegenheit für die studierte Politikwissenschaftlerin.
„Ich habe dabei viele kluge, interessante Menschen kennengelernt und es als produktives Miteinander empfunden, weil ich meinen anderen Blick auf die Ereignisse und Entwicklungen im Bezirk einbringen durfte“, erklärt die aus Stuttgart stammende Museumsleiterin. So sei das unter anderem bei der Vorbereitung zur Ausstellung über die Großsiedlung gewesen. „Begriffe wie ,HGL‘ oder ,KWV‘ haben wir dann in der Exposition erklärt.“
Auch das Ausstellungsprojekt zum Thema Zwangsarbeit bleibt der inzwischen in Lichtenberg lebenden Berlinerin in besonderer Erinnerung: „Es war damals wenig über NS-Zwangsarbeit in Marzahn-Hellersdorf bekannt“, sagt Dorothee Ifland. Und keiner der an diesem bewegenden Projekt Beteiligten hätte zu Beginn gedacht, dass sich über den Bezirk so viel finden lässt. Über einen Journalisten konnten sogar Zeitzeugen aus der Ukraine und Russland befragt werden. „Beeindruckend ist für mich auch, dass das Thema bisher nicht an Relevanz verloren hat“, betont die Leiterin des Bezirksmuseums.
Mit der Veranstaltungsreihe „Marzahn-Hellersdorfer-Gespräche“ landete das Museum einen Volltreffer. Durch die unterschiedlichen Vorträge gelang es plötzlich, auch ein anderes Publikum zu erreichen. „Den Lichtbildervortrag des Naturschützers Heino Mosel haben wir beispielsweise dreimal aufgrund des großen Andrangs wiederholt“, erinnert sich die engagierte Chefin. Über diesen Kontakt sei außerdem später eine Fotoausstellung zum Wuhletal entstanden.
Mit den vielen Erlebnissen, Begegnungen und Ergebnissen ihrer Arbeit könnte sie ein dickes Buch füllen. Darin würden auf jeden Fall die „verrückten Anfangsjahre“ etliche Seiten füllen. Denn als Dorothee Ifland ihre Stelle als Leiterin des einstigen Heimatmuseums Marzahn antrat, war das Provisorium in einer ehemaligen Kita untergebracht. Schnell war klar, das kann so nicht bleiben und neue Räume müssen her. Es folgte ein Umzug in das Gebäude Alt-Marzahn 23, in dem sich inzwischen das KulturGut befindet.
Kurz darauf gründete Günter Peters – er war von 1966 bis 1980 Stadtbaudirektor Ostberlins – den Förderverein Bezirksmuseum. „Ohne das Engagement von ihm wären wir 1999 nicht in die sanierte, denkmalgeschützte Dorfschule auf dem Marzahner Anger gezogen“, ist Dorothee Ifland überzeugt.
Im Haus 1 des Museums werden seitdem regelmäßig Sonderausstellungen gezeigt und es finden Veranstaltungen statt. Im Haus 2, Alt-Marzahn 55, ist die Dauerausstellung zur Geschichte der Region, des Bezirks und seiner Ortsteile zu sehen. Noch – denn aus diesem Gebäude wird die Dauerausstellung perspektivisch aus- und in Alt-Marzahn 23 einziehen. Verfolgen wird die langjährige Leiterin diesen Prozess garantiert. „Aber mit dem nötigen Abstand“, ist sie überzeugt. Mit Recht ist sie stolz auf das Erreichte. Es seien tolle Jahre gewesen, in denen viel ausprobiert werden durfte und ihr inhaltlich freie Hand gelassen wurde.
Ende 2023 sei es zudem endlich gelungen, eine dritte feste Stelle einzurichten und für den Bereich Archiv und Sammlung jemanden einzustellen. „Das war ein langer Kampf.“ Dass sich Dorothee Ifland nach eigener Aussage in Marzahn-Hellersdorf so gut wie in keinem anderen Berliner Bezirk auskennt, ist nachzuvollziehen. Irgendwie fühlt sie sich deshalb auch nach 32 Jahren als „Berufsmarzahnerin“. Und freut sich schon jetzt darauf, dort bald als „normale Besucherin“ die eine oder andere Veranstaltung aufzusuchen.
- Text und Foto: Steffi Bey
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