Nachbarschaft
Veröffentlicht am 03.12.2024 von Julia Schmitz
Glücklicherweise gibt es Menschen, die vor Ideen sprühen, Gleichgesinnte finden und gemeinsam etwas Wirkungsvolles entwickeln. Genauso ist das mit dem vor fünf Jahren gestarteten Kunst-am-Bau-Projekt „radio connection“.
Die Künstlerin Susanne Bayer wollte unbedingt etwas für Geflüchtete machen. „Etwas, an dem sie sich aktiv beteiligen können.“ Und sie dachte dabei an ein „Mitmach-Radio“. „Einen Radiosender aus Marzahn – nicht nur für Marzahn“, sagt die Berlinerin. Jedenfalls wurde 2019 „radio connection“ gegründet und seitdem produzieren Menschen mit und ohne Fluchterfahrung jede Woche eine mehrsprachige Sendung.
Anfangs bestand das Team aus fünf Mitstreitern: Ein Journalist aus Syrien gehörte unter anderem dazu, eine Redakteurin aus Afghanistan, ein Journalist aus dem Iran und Flüchtlinge, die einfach neugierig auf das Vorhaben waren. Inzwischen sind es 15 Radiomacher aus sieben Ländern, die in mehr als acht Sprachen arbeiten.
Dass der Sender in Marzahn-Hellersdorf startete, liegt daran, weil es damals in diesem Bezirk die meisten modularen Unterkünfte gab. „Doch wir wollten noch mehr Neuankommende erreichen und stellten deshalb berlinweit in jeder Küche einer solchen Unterkunft ein Radio auf“, erzählt Susanne Bayer stolz.
Und dann ging es richtig los: Themen wurden gesammelt und diskutiert, Gesprächspartner gesucht und mit dem Mikrophon durch den Bezirk gezogen. „Wir berichten vom Ankommen und dem Leben in Marzahn, beleuchten spannende Projekte und Initiativen, aber auch Themen wie Asylrecht, Abschiebepolitik, Frauenrechte und Rassismus“, erklärt die Initiatorin. Jeden Donnerstag trifft sich das engagierte Team, wertet gelaufene Sendungen aus und plant neue.
In einem Raum der Geflüchtetenunterkunft an der Paul-Schwenk-Straße wird dann in einem mobilen Studio jede Sendung aufgenommen: Ein Zelt hingestellt, mit einer Moltondecke abgedeckt, die den Schall absorbiert, die Technik aufgebaut und los geht’s. Daniel, ein Tontechniker aus Kreuzberg, sorgt für gute Aufnahmen und gibt sein Wissen auch an das Team weiter.
„Wir haben alle Spaß dabei, weil wir selbst viel Neues erfahren und interessante Menschen kennenlernen und ihnen eine Plattform geben“, sagt Flora aus Frankreich, die, bevor sie bei radio connection mitmachte, keine Ahnung von Journalismus hatte. Motivierend sei das durchweg positive Feedback. „Es inspiriert uns und macht Freude auf neue Ideen“, betont ebenso Mehran aus dem Iran.
Inzwischen gibt es zusätzlich jeden zweiten Donnerstag um 15 Uhr „Marzahn am Mikro“ eine mehrsprachige Sendereihe und einen Podcast. Dort geht es um den Alltag, um Geschichten, das Zusammenleben, aber auch um Unterschiede und Gemeinsamkeiten, Vorurteile sowie Wünsche und Hoffnungen.
Die Radiomacher wünschen sich mehr Sendezeit, einen festen, eigenen Raum für ihre Aufnahmen und eine gesicherte Förderung. Bislang werden sie von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, von der Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt, vom Bezirksamt Marzahn, vom Berliner Projektfonds Urbane Praxis und von der Deutschen Fernsehlotterie unterstützt.
- Das Team ist nominiert für den Deutschen Engagementpreis, der am 9. Dezember in Berlin verliehen wird.
- Neue Mitstreiter sind ebenfalls willkommen. Voraussetzung: Lust auf Radiomachen und dann melden unter info@radioconnection-berlin.de
Zu hören ist radio connection jeden Donnerstag, 15 Uhr im freien Radio auf PiRadio, zu empfangen auf UKW 88,4 MHz in Berlin und 90,7 MHz in Potsdam. - Text und Foto: Steffi Bey