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von Laura Hofmann

Veröffentlicht am 08.05.2019

seit mehr als zweieinhalb Jahren regiert Rot-Rot-Grün die Stadt, in Mitte stellen die Grünen den Bürgermeister. Und Ende Juni ist das Mobilitätsgesetz ein Jahr in Kraft. Trotzdem ist Berlin noch kein Paradies für Radfahrer. Damit hat zwar niemand gerechnet, vielen Radfahrer*innen und Radaktivist*innen geht es aber zu langsam voran. Auch mir.

Ich würde zum Beispiel gerne entspannt von Wedding nach Kreuzberg radeln können. Doch die seit zehn Jahren andauernden Planungen für den Radweg auf der Müllerstraße mussten wegen des Mobilitätsgesetzes, das neue (und bessere) Standards für Radwege enthält, nochmal neu aufgerollt werde. Der Bau des Radstreifen wird dadurch, wie berichtet, nicht vor Sommer 2021 beginnen.

Mit dem Mobilitätsgesetz wurde zum Beispiel festgelegt, dass alle Hauptverkehrsstraßen der Stadt mit geschützten Radwegen ausgestattet werden müssen. Dass das dringend notwendig ist, zeigt zum Beispiel eine Auswertung des Berliner Fahrradprojekts FixMyBerlin: Von 2893 Kilometern Berliner Hauptstraßen konnten im September nur 758 als sicher bezeichnet werden. 1039 Kilometer Hauptstraße hatten gar keine Radwege, oder nur welche, die in miserablem Verhältnis zur dortigen Verkehrsmenge und zulässigen Höchstgeschwindigkeit stehen.

Auch in Mitte sind wir davon noch weit entfernt. Für die Friedrichstraße, die mit dem Fahrrad sehr unangenehm zu befahren ist, gibt es noch keine konkreten Rad-Planungen. Auch nicht für die parallel verlaufende Tucholskystraße, über die Autofahrer gerne dem Stop-and-Go auf der nördlichen Friedrichstraße ausweichen und wo Lieferwagen in einem gefühlten Dauerzustand in zweiter Reihe parken. Ebenfalls keine konkreten Planungen gibt es für den Boulevard Unter den Linden, den der Senat mal als Fußgängerzone ins Gespräch brachte.

Dabei ist der Boulevard breit und, seit das Brandenburger Tor 2002 für den Autoverkehr gesperrt wurde, auch ruhig. Ein durchgängiger Radweg, geschweige denn eine geschützte Radspur, liegt hier trotzdem nicht vor. Im Gegenteil: An der Kreuzung Wilhelmstraße gibt es ganze Spuren für parkende Autos, Rechtsabbieger, Linksabbieger, sogar eine eigene Spur um zum Brandenburger Tor vorzufahren. Der Radstreifen aber dient – unter den Augen der Polizei – als zweite Abbiegespur, wahlweise auch als Ausweichzone für Schwenkbusse. Also nur konsequent, dass der Radverkehr am Brandenburger Tor direkt in die Besuchermenge geleitet wird, merkt Kollege Daniel Erk, leidgeplagter Mitte-Bewohner und Radfahrer, ironisch an.

Auch auf der Kastanienallee und dem Weinbergsweg kommt es für Radfahrer immer wieder zu gefährlichen Situationen. Während der Bezirk Pankow auf der Kastanienallee schon 2014 einen Radweg eingerichtet hat – wenn auch viel zu schmal -, der vor Kurzem grün markiert wurde, schafft Mitte das nicht. An der Bezirksgrenze endet der Streifen abrupt, hier müssen sich Radfahrer zwischen Tramschienen in der Mitte der Straße tummeln. „Die sozial-ökologische Verkehrswende ist kein Sprint, sondern ein Marathon“, sagt Johannes Schneider, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen in Mitte. „Die negativen Folgen von siebzig Jahren Ausbau der in Beton gegossenen autogerechten Stadt können leider nicht in drei Jahren behoben werden. Aber wir arbeiten jeden Tag hart daran.“

Immerhin ein Projekt des Bezirks wird nun zumindest teilweise umgesetzt. Die einzige Fahrradstraße in Mitte, die Linienstraße, wird in weiten Teilen zur Vorfahrtsstraße. Bisher gilt dort noch Rechts vor Links. Das soll bis auf die Kreuzungen Rosenthaler Straße, Alte Schönhauser Straße und Rosa-Luxemburg-Straße entfallen, dafür sollen Autofahrer auf mehreren Abschnitten nur noch in eine Richtung fahren dürfen. Vor bereits anderthalb Jahren hatte die Bezirksverordnetenversammlung beschlossen, die Linienstraße zur Fahrradstraße der Zukunft zu machen. Ein wichtiger Teil des Beschlusses steckt aber noch in der zweistufigen Berliner Verwaltung fest: Ein 25 Zentimeter breiter grüner Strich in der Mitte der Fahrbahn soll Autofahrer daran erinnern, dass sie sich auf einer Fahrradstraße befinden.

Damit sich der Beschluss auch auf der Straße wiederspiegelt, fehle noch ein Leitfaden der Senatsverkehrsverwaltung. So sieht es zumindest der Bezirk. Die Einfärbungen für alle Fahrradstraßen in der Stadt sollen verbindlich geregelt werden. „Da eine nachträgliche Veränderung der Markierung vermieden werden soll, ist die Maßnahme noch nicht ausgeführt worden“, erklärte ein Sprecher des Bezirksamts auf meine Nachfrage. Weder die StVO noch eine andere verbindliche Richtlinie sehen bisher eine solche Kennzeichnung vor. Aus der Senatsverkehrsverwaltung heißt es jedoch: „Für die Planung und Realisierung von Fahrradstraßen sind die Bezirke zuständig“. Die Leitlinien für Fahrradstraßen würden derzeit erarbeitet und sollen im Sommer vorliegen. „Es ist aber nicht erforderlich, dass der Bezirk mit der Umsetzung der Maßnahme wartet, bis die Leitlinien vorliegen“, sagt eine Sprecherin.

Bisher gibt es auf der Linienstraße lediglich Fahrradpiktogramme an jeder Einmündung, sowie alle 100 Meter ein kleines auf der Straßenmitte. Und die werden in der Regel ignoriert. Bis zum grünen Streifen dauert es also noch, aber zumindest sind für 2019 schon Trennstreifen zu den parkenden Fahrzeugen geplant, die die sogenannte Dooring-Zone markieren und Radfahrer schützen sollen. Die Dooring-Zone ist der Mindestabstand, den Radler zu parkenden Autos einhalten sollten, um Unfälle mit sich plötzlich öffnenden Autotüren zu vermeiden. Alle Planungen sind einsehbar auf der Seite von FixMyBerlin. Hier kann man den Stand der Radinfrastruktur-Projekte in der ganzen Stadt verfolgen – vorausgesetzt, die Bezirke teilen die Information mit dem Unternehmen.

In der Holzmarktstraße ist schon vor einigen Monaten der erste geschützte Radweg mit Pollern entstanden. In der Stromstraße ist ein neuer Streifen angelegt worden, der ebenfalls noch mit den sogenannten Leit-Boys (also Pollern) versehen werden soll. Die Beschaffung der Poller befindet sich derzeit im Ausschreibungverfahren. Laut Bezirksamt sollen sie in diesem Herbst installiert werden. Ein geschützter Radstreifen ist auch für den südlichen Abschnitt der Amrumer Straße in Wedding vorgesehen. Dort soll mit den Bauarbeiten eigentlich noch in diesem Jahr begonnen werden. Wegen Leitungsbauarbeiten könnte sich der Termin aber noch verschieben. Und an der Karl-Marx-Allee entsteht gerade ein vier Meter breiter Radweg.

Laura Hofmann ist Redakteurin für Landes-und Bezirkspolitik beim Tagesspiegel. Ihre erste Berliner Wohnung war im Wedding, hierher kehrt sie immer gerne zurück. Heute wohnt sie an der Grenze zwischen Mitte und Kreuzberg, die Türme vom Potsdamer Platz fest im Blick. Schreiben Sie ihr eine Mail oder folgen Sie ihr auf Twitter oder Facebook.