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von Laura Hofmann
Veröffentlicht am 23.10.2019
Der Volkspark Rehberge ist die grüne Lunge in Berlin-Wedding. Er ist riesig (78 Hektar) und zeichnet sich besonders durch seine großen Wiesen aus, die zum Picknicken, Lesen, Flanieren einladen. Die größte von ihnen ist die „Catcherwiese“, so genannt wegen der an ihrem Rande aufgestellten Ringerskulptur. Früher wurde hier Fußball gespielt. Doch Anfang der 90er Jahre hat das Sportamt die vier Spielfelder aufgegeben und in die Verantwortung des Umweltamts gestellt.
Seitdem wurde die Wiese mehr oder weniger sich selbst überlassen. Das hat Wirkung: Die Artenvielfalt hat sich deutlich erhöht. „Die Catcherwiese bietet ein reichhaltiges Angebot an Nektar- und Pollenspendern und stellt damit ein zusätzliches wichtiges Element im Rahmen der Bienen- und lnsektenschutzstrategie der Stadt Berlin dar“, stellt das Umweltamt fest. Sie ist auch eine der wenigen Flächen im Park, auf der es überhaupt noch Feldheuschrecken gibt. Darunter die blauflügelige Ödlandschrecke, die unter die Bundesartenschutzverordnung fällt. Ein Verlust der Catcherwiese, warnt das Umweltamt, würde die Biodiversität im Volkspark stark verringern.
Auf der anderen Seite: Der nebenan ansässige Verein BSC Rehberge braucht mehr Platz. Und möchte die Catcherwiese wieder zur Sportfläche machen. Durch den „massiven Zugang von Kindern und Jugendlichen“ in der Nachbarschaft würden die Spielflächen dringend benötigt, die vorhandenen Kapazitäten des Vereins seien „hoffnungslos überfüllt“. Ein geregelter Spiel- und Trainingsbetrieb könne so „nicht mehr gewährleistet“ werden, heißt es in einem Schreiben des Vereins an Bezirkspolitiker.
Die CDU setzt sich für die Interessen des Vereins ein (dessen Präsident der CDU-Stadtrat Carsten Spallek ist). Die Catcherwiese sei „zu einer ungepflegten großen Wiese verkommen“, schreibt die Fraktion in einem Antrag, und fordert, die Fläche „für eine dauerhafte Sportnutzung herzurichten“. Außerdem solle der „Neubau von Umkleidemöglichkeiten für den Schul-, Vereins- und Breitensport“ geprüft werden.
Sportstadtrat Spallek weist darauf hin, dass es in Mitte ein Defizit an ungedeckten Sportflächen von ca. 160.000 Quadratmetern gebe. Das heißt, es fehlen rund 22 Großspielfelder im Bezirk. „Da es in Mitte kaum entwickelbare Flächen für den Sport gibt, sind wir auf jedes mögliche Grundstück angewiesen, um die ständig weiterwachsenden Bedarfe zu befriedigen“, sagt er.
Am heutigen Mittwoch tagen Sport-und Umweltausschuss gemeinsam, um eine Entscheidung zu treffen. Die Grünen sind gegen eine sportliche Nutzung der Wiese. „Klima- und Umweltschutz wirken manchmal abstrakt“, sagt ihr Fraktionsvorsitzender Johannes Schneider. „Indem wir unsere Grünflächen schützen, können wir direkt vor Ort etwas gegen den Klimakollaps tun und gleichzeitig für die Artenvielfalt.“ So sieht es auch die Linke sowie die Gruppe der Piraten. Auch die FDP kündigte an, dem CDU-Antrag so nicht zustimmen zu können. Die SPD will die Wiese wieder zur Sportfläche machen.
Inzwischen gibt es auch eine Petition aus der Bevölkerung, die sich für den Erhalt des Biotops einsetzt. „Es bleibt mir als Bürgerin ein Rätsel wie man, in Zeiten der (…) Klimakrise und des Artensterbens, überhaupt auf den Gedanken kommen kann, die größte ’natürliche‘ Grünfläche eines Bezirks auszuwählen um sie zu ’sterilisieren'“, schreibt Mathilde Walter auf der Plattform change.org. Die Resonanz ist noch nicht so groß. Bis Mittwochnachmittag kamen 275 Unterschriften zusammen. – Text: Laura Hofmann
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Zur Newsletter-Autorin: Laura Hofmann ist Redakteurin für Landes-und Bezirkspolitik beim Tagesspiegel. Ihre erste Berliner Wohnung war im Wedding, hierher kehrt sie immer gerne zurück. Heute wohnt sie an der Grenze zwischen Mitte und Kreuzberg, die Türme vom Potsdamer Platz fest im Blick. Schreiben Sie ihr eine Mail oder folgen Sie ihr auf Twitter oder Facebook.