Intro

von Laura Hofmann

Veröffentlicht am 18.12.2019

Das Themroc schließt und mit ihm geht ein Teil des alten Mitte. Das Kult-Bistro auf der Torstraße, Nummer 183, war schon da, bevor die anderen Schicki-Micki-Läden in die Nachbarschaft zogen. 2008 eröffnet, war es Wohnzimmer der künstlerischen Elite und gleichzeitig bodenständig. Die Schauspieler der Volksbühne gingen hier ein und aus, Oliver Reese, Intendant des Berliner Ensembles, gehörte zu den Stammgästen. Aber auch „ganz normale“ Leute konnten im Themroc einfach gut essen und einen schönen Abend verbringen.

Das Lokal ist klein, die Wände schmücken alte Fotos, das Herz des Ladens bildet die offene Küche, in der französisch mit persischem Einschlag gekocht wird, jeden Tag ein wechselndes Menü. Perfekt für alle, die sich nicht entscheiden möchten, und sowieso alles mögen. Eine vegetarische Option gibt es natürlich auch. Der Service ist für Berlin außergewöhnlich freundlich.

Warum Schluss? „Der Laden war immer eher unkommerziell“, erzählt Joachim Zepelin, der das Themroc zusammen mit Manuel Schubbe und Ali Farahmand betreibt. „Wir haben in den letzten Jahren immer Geld zugeschossen, das hat sich jetzt erschöpft.“ Irgendwie habe auch die Gentrifizierung in der Nachbarschaft mit diesem Schritt zu tun, die „hier so stark stattgefunden hat wie kaum irgendwo sonst in der Stadt“, sagt Zepelin. Viele der begeisterten Dauerkunden zogen weg und kamen nur noch ein- bis zweimal im Jahr auf nostalgischen Besuch vorbei.

Am Samstag ist der letzte Themroc-Abend, bis dahin sind alle Tische ausgebucht. Doch das Bistro hat sich schon unsterblich gemacht: mit einem Themroc-Buch. Darin Beiträge von Caroline Peters, Jorinde Voigt, Carsten Nicolai, Oliver Reese, Malakoff Kowaslski, Gerd Harry Lybke, Max Dax, Christoph Müller, Gregor Hildebrandt und vielen anderen. Außerdem Rezepte und viele Fotos, die zeigen, dass das Themroc mehr war als ein Restaurant.

Hier ein Auszug aus dem schönen Text der Schauspielerin Caroline Peters: „Es war Sommer, es war Fußballweltmeisterschaft und es war Zeit, seinen Platz zum public viewing zu finden. Eines Abends kam ich von einem Dreh nach Hause und unten in meinem Haus saß ein Freund auf dem Trottoir und hatte Plätze im Themroc für uns reserviert und das Menü für uns bestellt. Ich wohnte noch nicht lange in dem schönen grünen Eckhaus und ich hatte noch nie dort gesessen.

Neben dem Bordstein, zwischen Baum und Elektrokasten, ein alter Fernseher, auf dem sehr klein Fußballer aus aller Welt zu sehen waren. Zwischen Fernseher und Bistro-Tischen hin-und herlaufende Leute. Die Torstraße an einem Sommerabend – eindeutig der schönste Boulevard der Welt. An diesem Abend lerne ich sie kennen – Ali, Manu. Und das große Glück, das das Themroc bereitstellen kann: in der selbsthergerichteten Stadt, umringt von Mauerlöchern, persönliche Freiheit walten zu lassen.“

Das Buch, das nach dem Themroc-Motto „GRR GRR – MIAM MIAM – GLU GLU“ benannt ist, gibt es zum Beispiel in der Buchhandlung König im Hamburger Bahnhof zu kaufen. Man kann es auch per Mail bestellen oder einfach in der Buchhandlung seines Vertrauens. Ein schönes Weihnachtsgeschenk für Mitte-Nostalgiker.

Vielleicht allerdings, geht es doch weiter. „Viele von den Gästen wollen nicht wahrhaben, dass Schluss ist“, sagt Zepelin. Einige haben auch Finanzierung angeboten. Vielleicht, vielleicht also, wird das Themroc als Verein oder Genossenschaft wiedergeboren. Aber das ist Zukunftsmusik.

Laura Hofmann ist Redakteurin für Landes-und Bezirkspolitik beim Tagesspiegel. Ihre erste Berliner Wohnung war im Wedding, hierher kehrt sie immer gerne zurück. Heute wohnt sie an der Grenze zwischen Mitte und Kreuzberg, die Türme vom Potsdamer Platz fest im Blick. Schreiben Sie ihr eine Mail oder folgen Sie ihr auf Twitter oder Facebook.

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