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von Julia Weiss
Veröffentlicht am 05.08.2020
Der Karstadt in der Müllerstraße ist gerettet – zunächst für drei Jahre. Das hat die Karstadt-Gruppe mit dem Land Berlin vereinbart. Für den Standort in Wedding ist das eine Schonfrist. Das Kaufhaus muss attraktiver werden. Das fordert auch Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel (Grüne). „Jetzt kommt es darauf an, die vielen guten Vorschläge umzusetzen“, sagt er in einer Videobotschaft. Darüber will er nun mit den Konzernleitung sprechen. Der Bezirk stehe zu seiner Zusage, die Fassade renovieren zu lassen. Auf dem Dach könnte ein Garten oder Café entstehen, lokale Geschäfte oder Produzenten aus Wedding sollen in das Kaufhaus einziehen.
Doch die Rettung hat einen Preis. Neben der Weddinger Filiale bleiben die am Tempelhofer Damm, in der Wilmersdorfer Straße und im Lichtenberger Ringcenter offen. Im Gegenzug
Signa plant in den kommenden Jahren Investitionsvorhaben von rund vier Milliarden Euro. Bei der Umgestaltung des Karstadt-Hauses am Hermannplatz will das Land „eine steuernde Funktion“ einnehmen – ebenso bei geplanten Projekten am Alexanderplatz und Kurfürstendamm. Heißt im Klartext: Die Bezirke sollen weniger mitreden dürfen. Vor allem Friedrichshain-Kreuzberg sieht das Bauvorhaben am Hermannplatz kritisch.Doch wie zukunftsfähig ist das Konzept Kaufhaus? Und wie wichtig ist Karstadt auf lange Sicht für die Innenstädte? Mein Kollege Thorsten Mumme hat sich darüber mit dem Geschäftsführer des Instituts für Handelsforschung Köln, Boris Hedde, unterhalten. Er sagt, bundesweit habe die Bedeutung von Kaufhäusern stark abgenommen. Sie machen nur noch zwei Prozent des gesamten Handelsumsatzes in Deutschland aus. Lokal könne das anders sein – und auch einen größeren Anteil haben. „Das Schicksal dieser Innenstädte an den Warenhäusern festzumachen, greift aber zu kurz“, sagt Hedde. „Stattdessen muss mehr dafür getan werden, dass der Standort selbst attraktiver wird. Dann bleibt Karstadt auch freiwillig.“
Mitte will das versuchen. Und Bezirksbürgermeister von Dassel hofft, dass die Weddinger nun weniger online shoppen. „Wir sollten uns jetzt nicht nur freuen, dass Karstadt in der Müllerstraße bleibt, es kommt auch darauf an, dass wir das Kaufhaus aktiv unterstützen und auf den ein oder anderen Online-Kauf verzichten.“
Julia Weiss ist Redakteurin in der Online-Redaktion des Tagesspiegels und Reporterin für den Bezirk Mitte. Sie freut sich über Tipps, Anregungen und konstruktive Kritik. Schreiben Sie ihr eine Mail oder folgen Sie ihr auf Twitter.
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