Kultur

Open-Air-Schau gibt einen Vorgeschmack aufs neue Exilmuseum

Veröffentlicht am 16.06.2021 von Joana Nietfeld

Verschlafen und schlecht gelaunt sei er am 30. Januar 1933 zum Anhalter Bahnhof gefahren, schreibt Klaus Mann, „keinen Blick für die morgendlich schläfrige Stadt“ habe er gehabt. Er verlasse Berlin ohne Abschied. Klaus Mann war einer von Tausenden Literaten, Künstlerinnen und Wissenschaftlern, die vor Hitler und den Nationalsozialisten aus Deutschland flohen. Startpunkt für die Reise ins Unbekannte war oft der Anhalter Bahnhof. Dort, wo heute nur noch ein Teil des prunkvollen Eingangsportals geisterhaft in die Luft ragt. Und dort, wo in etwa vier Jahren ein neues Museum an die Schicksale der während der NS-Zeit vertriebenen Exilanten erinnern soll.

Die Eröffnung des von Ex-Kultursenator Christoph Stölzl und Kunsthändler Bernd Schultz initiierten Exilmuseums ist für 2025 geplant. Beim Architekturwettbewerb, den die private Stiftung Exilmuseum gemeinsam mit der Stadt und dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg ausgelobt hat, wurde 2020 der Entwurf des Kopenhagener Architekturbüros Dorte Mandrup gekürt. Den kann man jetzt noch einmal im Freien betrachten. Denn auf dem Bauland, der Brache hinter der Portalruine, mit Fußballplatz und Tempodrom im Rücken, eröffnete am vergangenen Samstag die Open-Air-Ausstellung „Zu/Flucht“, die in Kooperation mit Studierenden der TU Berlin entstanden ist.

Sie ist vor allem als Ausblick auf die Inhalte des neuen Museums gedacht, mit den Geschichten berühmter und weniger bekannter Exilanten im Zentrum, die zwischen 1933 und 1945 ins Ausland fliehen mussten. Neben Hannah Arendt, Billy Wilder und Bertolt Brecht sind das auch Wissenschaftlerinnen wie die Historikerin Gerda Lerner, die an ihrem New Yorker Lehrstuhl das Fach Frauengeschichte begründete, als noch kaum jemand an so etwas wie Gender Studies dachte.

Insgesamt werden sechs Wohncontainern gezeigt, in denen ehemals Geflüchtete gelebt haben. Die Container sind unterschiedlich umgebaut. Bei manchen wurde das Dach abgenommen, die Seitenteile zu Ausstellungswänden umfunktioniert. Einer bekam eine Aufstockung, zusätzliche Fenster und Markisen und sieht so aus wie ein Kiosk; einer anderer wurde zum Pavillon für eine Bühne. „Im Sommer 2015 kaufte allein Berlin fast 5500 Wohncontainer“, ist an einer der Wellblechwände zu lesen. Aus welchen Materialien sie bestehen, wie man sie recyceln für NGOs oder Jugendzentren wiederverwenden kann, ist eine der Forschungsfragen der Studierenden. – Text: Birgit Rieger

12. Juni bis 31. Oktober, weitere Informationen und Hinweise zum Veranstaltungsprogramm: zuflucht.org