Namen & Neues

Bezirksamt soll Verdachtsfälle von Reichsbürgern erfassen

Veröffentlicht am 18.05.2018 von Laura Hofmann

Im Bezirksamt Mitte sollen alle Ämter zukünftig einen einheitlichen Umgang mit Verdachtsfällen von sogenannten „Reichsbürgern“ definieren und befolgen. Das dürfte berlinweit einmalig sein. Die Bezirksverordnetenversammlung hat am Donnerstagabend einen entsprechenden Antrag des Grünen-Verordneten Johannes Schneider beschlossen. Im März hatte das Bezirksamt auf Anfrage von Schneider eine Bilanz für 2017 genannt. Demnach waren das Bürgeramt, das Stadtentwicklungsamt, das Ordnungsamt, das Sozialamt, das Jugendamt und das Schul- und Sportamt in insgesamt 21 Fällen mit Reichsbürgern konfrontiert. Reichsbürger und so genannte „Selbstverwalter“ erkennen die Bundesrepublik nicht an und geben sich als Angehörige von Fantasiestaaten aus. In der Szene wird auch oft behauptet, das deutsche Reich existiere weiter. Reichsbürger, die als Selbstverwalter auftreten, bezeichnen zudem ihr Grundstück als eigenen Staat.

Verdachtsfälle sollen in Mitte jetzt grundsätzlich Vorgesetzten vorgelegt werden, um auf Basis der Vorgaben der Senatsverwaltung für Inneres, die Entscheidung zu treffen, ob ein Vorfall dem Berliner Verfassungsschutz zu melden ist. Außerdem sollen alle Verdachtsfälle intern an zentraler Stelle erfasst werden und regelmäßig ausgewertet werden. Bei Bedarf sollen die Mitarbeiter zur Sensibilisierung und zum Umgang mit dieser Personengruppe geschult werden. „Die Mitarbeitenden des Bezirksamts sind nicht selten die Ersten, die mit sogenannten „Reichsbürgern“ konfrontiert sind, wenn diese zum Beispiel Personalausweise zurückgeben“, sagte Schneider auf meine Anfrage. „Daher ist es wichtig, Verdachtsfälle zu erfassen und einen einheitlichen Umgang im Bezirksamt mit dieser Personengruppe zu definieren.“

Nach Informationen meines Kollegen und Rechtsextremismus-Experten Frank Jansen von März dieses Jahres ist die Szene der „Reichsbürger“ in Berlin größer als bislang bekannt. Sicherheitskreise sprechen inzwischen von 500 Personen, die dem Spektrum zuzurechnen sind. Etwa 120 von ihnen seien auch als Rechtsextremisten bekannt. Der Verfassungsschutz hatte in seinem Jahresbericht 2016 die Zahl der Reichsbürger mit 400 angegeben, darunter 100 Rechtsextreme. Ein Grund für die nun höhere Zahl der Reichsbürger sei die fortschreitende Erfassung der gesamten Szene durch die Sicherheitsbehörden, hieß es. Bis 2015 wurden sogar nur die eindeutig rechtsextremen Reichsbürger gezählt.