Namen & Neues
Parkplätze vs. Grünstreifen: Entscheidung wird auf nächstes Jahr vertagt
Veröffentlicht am 18.12.2019 von Laura Hofmann
Der Streit um den Mittelstreifen der Karl-Marx-Allee entwickelt sich zum Präzedenzfall in Sachen Bürgerbeteiligung, Verkehrsplanung und Klimaanpassung. Nachdem Umweltsenatorin Regine Günther (Grüne) vorschnell entschieden hatte, die Magistrale in der Mitte zu begrünen statt dort Parkplätze stehen zu lassen, wurde sie dafür sowohl von ihren Kollegen aus dem Senat als auch von Seiten des Bezirks (wie berichtet) offen kritisiert.
Für diese Entscheidung habe die Umweltverwaltung bisher „keine Rechtsgrundlage“, teilte der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) vergangene Woche mit. Kultursenator Klaus Lederer (Linke) sorgt sich um den Denkmalschutz: Denn das nahezu zeitgleich entstandene, höchst unterschiedliche Duo aus Hansaviertel im Westen und Karl-Marx-Allee im Osten soll in die Unesco-Welterbe-Liste aufgenommen werden. Und da wird Blech offenbar eher goutiert als Grün.
Nun haben sich Umwelt- und Kulturverwaltung auf weitere Gespräche zur Gestaltung der Karl-Marx-Allee verständigt. Sie sollen im ersten Quartal 2020 stattfinden und zu einer Lösung im Streit um den Mittelstreifen führen. Günther und Lederer seien sich einig, „dass dabei sowohl Aspekte der Verkehrswende, des Klimaschutzes und der Klimafolgenanpassung als auch Belange des Denkmalschutzes im Hinblick auf eine künftige Weltkulturerbe-Bewerbung Berlins bei der UNESCO“ zu berücksichtigen seien. Ende Januar ist erstmal eine Bürgerinformationsveranstaltung geplant, in Kooperation mit dem Bezirk.
Aber wie war das eigentlich mit der „Bürgerbeteiligung“ von 2016? Eine konkrete Abstimmung unter den Anwohnenden im Sinne von „Parkplätze vs. Grünstreifen“ ist – zumindest online – nicht dokumentiert. Mein Kollege Robert Klages, der selbst in der Nähe vom Strausberger Platz wohnt, hat sich mit dem Thema beschäftigt und mit dem Sprecher der damaligen „Initiative für den Erhalt der Karl-Marx-Allee“ gesprochen. 2012 oder 2013 (er ist sich nicht sicher) habe es eine Bürgerveranstaltung im Rathaus gegeben, erzählt dieser. Die Bürger*innen seien gegen die Baumaßnahmen und Umgestaltung der Allee an sich gewesen, auch gegen den Grünstreifen. Man habe ihnen gesagt, die U-Bahndecke müsste erneuert werden, daher seien die Maßnahmen notwendig. Doch diese sei bis heute nicht erneuert worden.
Die Initiative für den Erhalt der Allee hatte 25 Mitglieder. Besonders Gewerbetreibende hätten sich für den Erhalt der Parkplätze ausgesprochen, sagt ihr Sprecher. Die Initiative wandte sich an den Bezirk und den damaligen Verkehrssenator Andreas Geisel (SPD). Die Senatsverwaltung habe daraufhin in einem Schreiben mitgeteilt, dass es den Grünstreifen nicht geben werde und Parkplätze auf dem Mittelsteifen erhalten bleiben sollen. (Der Sprecher sucht derzeit nach dem Schreiben, wir reichen dies ggf. nach.) Er selbst arbeitet für eine Hausverwaltung und zieht zum Jahresende für drei Monate nach Kalifornien.
In einem 288-seitigen Dokument des Stadtentwicklungsamtes ist das Verfahren um die Beteiligung der Anwohnenden für ein „Integriertes städtebauliches Entwicklungskonzept“ (ISEK) dokumentiert. Hier zumindest findet sich keine konkrete Abstimmung aller Anwohnenden, ob es Parkplätze oder einen Grünstreifen geben soll. Vielmehr gab es 2016 „Infoveranstaltungen“, auf denen Bürger*innen Anliegen einbringen konnten. Ob es sich bei den Teilnehmenden um Anwohnende der KMA handelte, wurde scheinbar nicht geprüft. 50 bis 80 „Feedbackkarten“ wurden abgegeben. Die Beteiligten stellten zahlreiche Anliegen, darunter mehr Grün, mehr Rad, mehr Cafés. Konkret wird zum Beispiel von „wenig genutzten Parkplätze“ gesprochen. Außerdem heißt es dort:
„Die Karl-Marx-Allee zwischen Strausberger Platz und Alexanderplatz: das ist zurzeit eine unerträgliche Asphaltpiste. Ein breiter Mittelstreifen müsste begrünt und möglichst auch bepflanzt werden. Parkraum für Anwohner gibt es meist hinter den Häusern.“ Laut dem Dokument wurde dies an die Senatsverwaltung für Stadtumbau weitergeleitet. Kollege Klages hat das Dokument durchforstet. Die beteiligten Anwohnenden sprechen sich noch für viel mehr aus, bessere Überquerungsmöglichkeiten für Fußgänger*innen und Radfahrende zum Beispiel.
In dem Dokument wird von einer Ausstellung der Zwischenergebnisse am 25. Juni 2016 erzählt. „Es war ein sehr heißer Sommertag. Die Teilnahme von etwa 60 Besuchern aller Altersgruppen ist besonders mit Blick auf das Wetter ist als sehr gut zu beurteilen.“ Dann heißt es: „Die Situation der Parkplatzversorgung wurde unterschiedlich bewertet: die einen sprachen sich für mehr, die anderen für deutlich weniger Parkplätze aus.“
Der Linken-Verordnete Andreas Böttger weist bei Twitter allerdings darauf hin, „dass die Veranstaltungen zum ISEK nicht die Veranstaltungen waren, auf denen über die Parkplätze abgestimmt wurden. Diese fanden 2014/15 statt.“ Carsten Spallek (CDU), damals Stadtrat für Stadtentwicklung, sagt, ebenfalls auf Twitter: „Die Pläne des Rückbaus der Parkplätze wurden aufgegeben, nach intensiver Bürgerbeteiligung und entsprechendem Votum.“ Nach der Dokumentation dieses Votums habe ich nun den Stadtrat Gothe gefragt. Es bleibt also bisher leider unübersichtlich.
Was ist Ihre Meinung? Parkplätze oder Grünfläche auf dem Mittelstreifen der KMA? Schreiben Sie mir! – Text: Laura Hofmann
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